Der kleine Drache

Die Geschichte vom „Verlorenen Sohn“ ist vielen Leuten bekannt.
Sie ist in der Bibel zu finden. Im Neuen Testament.
Beim Evangelisten Lukas, im 15.Kapitel.
Jesus erzählt von einem Vater, der zwei Söhne hatte. (Nebenbei: Von der Mutter sagt er nichts. Warum eigentlich nicht?) Der jüngere Sohn wird von der Abenteuerlust gepackt, lässt sich sein Erbe auszahlen und macht sich auf den Weg. Aber irgendwie gelingt ihm sein Leben nicht so, wie er sich das gedacht hat. Als er am Ende ist, beschließt er, zu seinem Vater (und Bruder und Mutter(?)) zurückzukehren. Das fällt ihm nicht ganz einfach. Aber der Vater wartet schon mit offenen Armen und ganz ohne Vorwürfe auf ihn.
Ein sympathisches Bild von Gott. Finde ich.
Eine nette Drachengeschichte habe ich mal irgendwo gefunden.
Und ein wenig überarbeitet.
Sie hat die Geschichte vom „Verlorenen Sohn“ als Vorlage.
 

Der kleine Drachen

Es war einmal ein kleiner Drachen. Seine Leisten waren aus dem feinsten Holz und bespannt war er mit dem edelsten Papier. Sein fröhliches Gesicht hatte er von dem kleinen Jungen, der ihn über alles liebte. An einem schönen Tag, war es dann soweit. Der kleine Drache konnte es kaum abwarten, endlich den Wind in seinem Gesicht zu spüren. Er war schon ganz zappelig und ungeduldig.

Er streckte seine Nase dem Wind entgegen und ließ sich von ihm höher und höher hinauftragen. Es war ein herrliches Gefühl. Die Sonne strahlte wärmend auf sein Papier und er flog den Wolken entgegen. Es schien nichts schöneres zu geben als immer weiter in die Lüfte zu steigen und es war ein Gefühl von Freiheit, die unendlich schien, weil nichts ihn aufhalten konnte.

Plötzlich gab es einen Ruck. Irgend etwas schien ihn noch an die Erde zu fesseln. Als er nach unten sah, bemerkte er die Schnur, die ihn festhielt und daran hinderte, höher hinauf zu fliegen. Da unten stand ein kleiner Junge, der ihn mit seiner Schnur festhielt. Da steckte ihm einer Grenzen, Grenzen die er vergessen hatte und nicht zu brauchen glaubte. Der kleine Drachen ärgerte sich und zog fester an der Leine. Es funktionierte. Die Schnur gab langsam, Stück für Stück nach und er flog den Wolken ein kleines Stück näher.

Der Wind wurde stärker und kam aus allen Richtungen. Der kleine Junge hatte Mühe, den Drachen zu halten und ihn vor dem Absturz zu bewahren. Der Wind riss an der Leine und verursachte jede Menge Sturzflüge. Aber jedes mal war die rettende Leine da, die den kleinen Drachen auffing und nie ganz abstürzen ließ. Soviel und sooft es auch rauf und runter ging, wie gefährlich und knapp es auch war, der kleine Drachen hatte bald seine Angst vergessen. Er hatte sogar jede Menge Spaß an der Gefahr. Bei jedem neuen Windstoß stürzte er sich wilder hinein und wirbelte fröhlich auf und ab. Die Schnur hielt ihn ja.

Doch je mehr Wind aufkam, desto weniger Leine gab der Junge frei. Er wollte seinen Drachen nicht verlieren. Die Wut des Drachens wurde immer größer. Er zerrte und zog, er wollte frei sein! Eine neue Windböe kam ihm zu Hilfe. Es gab einen kräftigen Ruck, die Schnur riss und er wurde frei.


Jetzt konnte er fliegen und sich treiben lassen wie die Vögel, wie die Wolken, wie die Blätter im Wind. Er wurde höher und höher hinaufgetragen, der Sonne entgegen – einfach wunderbar. Er schaute nicht zurück, er hörte nicht das Rufen des kleinen Jungen. Er sah auch nicht die Tränen in dessen Augen, er war jetzt frei und er wollte fort. Keine Grenzen waren im Weg und niemand hielt ihn mehr fest.

Plötzlich war die Sonne verschwunden und dichte Regenwolken verdunkelten den Himmel. Es wurde immer stürmischer und Regentropfen weichten den kleinen Drachen auf, er bekam Löcher ins Gesicht und wurde schlimm zugerichtet. Der Wind ließ ihn nach oben und tief hinunter stürzen, er trieb ihn von der Seite an und jagte ihn durch den ganzen Himmel. Der kleine Drachen hatte keine Kraft mehr und furchtbare Angst. Es wurde immer dunkler und irgendwann hörte der Wind auf. Der kleine Drache stürzte immer tiefer hinunter, ungehalten, ungeschützt.

In einem Dorngebüsch blieb er schließlich liegen – zerbrochen , zerfetzt und furchtbar allein.

Der kleine Junge war lange stehen geblieben, er hatte seinem Drachen nachgeschaut, bis dieser nicht mehr zu sehen war. Als es dunkel wurde kehrte er traurig nach Hause zurück. Wie lange hatte er an ihm gebaut und geklebt, gemalt und gebastelt! Solange bis er perfekt war. Er hatte ihm ein Gesicht gegeben und sich riesig auf dessen ersten Flug gefreut. Nun war er weg. Traurig legte er sich schlafen.

Aber am nächsten Morgen gleich ganz früh machte er sich auf die Suche. Lange war er unterwegs und als seine Füße ihn fast nicht mehr tragen wollten, sah er ein dreckiges und zerfetztes Knäuel aus Papier und Holzleisten. Er kämpfte sich durch das Gebüsch. Dann hielt er lachend seinen Drachen in der Hand. Er hatte ihn gefunden, ziemlich kaputt, aber nicht hoffnungslos.

Voller Stolz und Freude trug er ihn glücklich nach Hause. Jetzt konnte er ihn wieder zusammen flicken und alle kaputten Teile ersetzten. Der kleine Drachenwürde wieder fliegen können.

(Autor oder Autorin unbekannt; überarbeitet von Carsten Hokema)

... und hier ein passendes Video:

 
 
Und hier das Original:
 «Ein Mann hatte zwei Söhne», erzählte Jesus. «Eines Tages sagte der Jüngere zu ihm: 'Vater, ich will jetzt schon meinen Anteil am Erbe ausbezahlt haben.'
Da teilte der Vater sein Vermögen unter ihnen auf. Nur wenige Tage später packte der jüngere Sohn alles zusammen, verließ seinen Vater und reiste ins Ausland.

Endlich konnte er sein Leben in vollen Zügen genießen. Er leistete sich, was er wollte, bis er schließlich keinen Pfennig mehr besaß. Zu allem Unglück brach in dieser Zeit eine große Hungersnot aus. Es ging ihm sehr schlecht. In seiner Verzweiflung bettelte er so lange bei einem Bauern, bis der ihn zum Schweinehüten auf die Felder schickte. Oft quälte ihn der Hunger so, daß er froh gewesen wäre, etwas vom Schweinefutter zu bekommen. Aber selbst davon erhielt er nichts.

Da kam er zur Besinnung: 'Bei meinem Vater hat jeder Arbeiter mehr als genug zu essen, und ich sterbe hier vor Hunger. Ich will zu meinem Vater gehen und ihm sagen: Vater, ich bin schuldig geworden an Gott und an dir. Sieh mich nicht länger als deinen Sohn an, ich bin es nicht mehr wert. Aber kann ich nicht als Arbeiter bei dir bleiben?'

Er stand auf und ging zurück zu seinem Vater.

Der erkannte ihn schon von weitem. Voller Mitleid lief er ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn. Doch der Sohn bekannte: 'Vater, ich bin schuldig geworden an Gott und an dir. Sieh mich nicht länger als deinen Sohn an, ich bin es nicht mehr wert.'

Sein Vater aber befahl den Knechten: 'Beeilt euch! Holt den schönsten Anzug, den wir im Hause haben, und gebt ihn meinem Sohn. Bringt auch einen kostbaren Ring und Schuhe für ihn! Schlachtet das Kalb, das wir gemästet haben! Wir wollen feiern! Mein Sohn war tot, jetzt lebt er wieder. Er war verloren, jetzt hat er zurückgefunden.'

Und sie begannen ein fröhliches Fest. Inzwischen kam der ältere Sohn nach Hause. Er hatte auf dem Feld gearbeitet und hörte schon von weitem die Tanzmusik. Erstaunt fragte er einen Knecht: 'Was wird denn hier gefeiert?' 'Dein Bruder ist wieder da', antwortete er ihm. 'Dein Vater hat sich darüber so gefreut, daß er das Mastkalb schlachten ließ. Jetzt feiern sie ein großes Fest.'
Der ältere Bruder wurde wütend und wollte nicht ins Haus gehen. Da kam sein Vater zu ihm und bat: 'Komm und freu dich mit uns!' Doch er entgegnete ihm bitter: 'Wie ein Arbeiter habe ich mich all diese Jahre für dich geschunden. Alles habe ich getan, was du von mir verlangt hast. Aber nie hast du mir auch nur eine junge Ziege gegeben, damit ich mit meinen Freunden einmal hätte richtig feiern können. Und jetzt, wo dein Sohn zurückkommt, der dein Geld mit Huren durchgebracht und alles verpraßt hat, jetzt gibt es gleich ein Fest, und du läßt sogar das Mastkalb schlachten!'
Sein Vater redete ihm zu: 'Mein Sohn, du bist immer bei mir gewesen. Was ich habe, gehört auch dir. Darum komm, wir haben allen Grund zu feiern. Denn dein Bruder war für uns tot, jetzt hat für ihn ein neues Leben begonnen. Er war verloren, jetzt hat er zurückgefunden!'»

(Autor: Lukas, ca. 70 n.Chr.)