Ist das gerecht?

Ist das gerecht?

Von Sonne und Regen spricht Jesus in einer seiner bekanntesten Predigten. In der Bergpredigt. Und er sagt nicht etwas, dass diejenigen, die auf seiner Seite sind, automatisch auch immer auf der Sonnenseite des Lebens sind. Und dass sie  sich passend zu ihrer persönlichen Situation immer im Regen abkühlen können oder genau zum richtigen Zeitpunkt den Regen für ihre Ernte bekommen. So nach dem Motto: „Je frommer Du bist, desto besser geht es dir - desto brauner ist deine Haut gebrannt und desto besser fällt deine „Ernte“ aus.“

Im Laufe der Kirchengeschichte hat u.a ein falsch verstandener Calvinismus dazu geführt, dass manche Christen meinen, dass Gottes erste Aufgabe vor allem die sei, seinen Leuten ein (wirtschaftlich) angenehmes Leben zu machen.
U.a. in den USA treibt dieser Irrglaube seltsame Blüten. Da meinen Christen, sie seien besonders von Gott gesegnet, wenn es ihnen wirtschaftlich gut geht. Ganze Firmenideologien haben sich aufgrund dieser Einstellung breit gemacht und nicht selten kokettieren Firmeninhaber mit eben dieser Überzeugung. Wer will schon einem besonders Gesegneten an den Kragen? Ewer will schon einem widersprechen, der allem Anschein nach ein besonderes Schoßkind des Allmächtigen ist. Widerspruch und gewerkschaftliche Anliegen haben da kaum eine Chance.


Jesus macht in der Bergpredigt keine Aussage über den Zusammenhang zwischen Glauben und wirtschaftlichem Ergehen. Im Zusammenhang dieses Verses spricht Jesus von der Liebe. Von der Feindesliebe. „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.“ Und dann: „Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über gerechte und Ungerechte!“. Das Verhalten der Gläubigen soll so sein wie Gottes verhalten. Liebend gegenüber denen, von denen man meint, sie seien Feinde. Denn Gott macht es auch so. Er liebt alle. Das macht Jesus an den metereologischen Zuständen der Welt deutlich. Sonne und Regen - die bekommen alle ab. Da macht Gott keine Unterschiede. Er segnet alle. Er lässt keinen im Schatten sitzen. Er lässt auch keinen auf dem Trockenen sitzen. So ist Gott. Das meint zumindest Jesus. Und weil Gott so ist, sollen auch seine Leute so sein. Dann können sie sich als „Kinder Gottes“ verstehen oder auch selbst so bezeichnen. Interessant ist, wie Jesus das Gebot der Feindesliebe weiter ausführt. Wenn wir nur die Menschen lieben würden, die auch uns mögen, dann würde uns Christen wirklich nichts von Menschen, die nicht glauben, unterscheiden. Indem wir uns aber so verhalten, wie Gott sich verhält, kommt das Besondere des Glaubens ans Licht: Der Glaube handelt unterschiedslos.  Sonne und Regen für alle!

Dass das der frommen Seele nicht einfach klar zu machen ist, das ist verständlich. Denn will man nicht immer ein Plus, einen Mehrwert, einen gewinn, wenn man etwas tut oder auch wenn man glaubt? Wenn ich schon glaube, dann doch bitte auch ein Plus am Ende der Rechnung. Dem berechnenden Glauben erteilt Jesus eine Abfuhr. Und er meint es damit nicht böse gegenüber den eifrigen Frommen. Sicher kannte er auch die nagenden Fragen der Verfasser des sog. Alten Testaments.
Jeremia schrieb im 12. Kapitel: „Herr, wenn ich auch mit dir rechten wollte, so behältst du doch Recht; dennoch muss ich vom Recht mit dir reden. Warum geht's doch den Gottlosen so gut, und die Abtrünnigen haben alles in Fülle?“
Und nicht nur in Psalm 73, 12, sondern auch in vielen anderen Psalmen sind Worte wie diese zu lesen : „Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glücklich in der Welt und werden reich.“

Das Leiden der „Gerechten“ am Wohlergehen der „Ungerechten“ zieht sich durch viele biblische Schriften. Es wird jedoch nicht zur Seite der Gerechten hin aufgelöst. Sie haben es - wenn sie so denken - auszuhalten, dass es anderen Menschen besser geht als ihnen. Manchmal hilft den Gläubigen ein Blick aufs Ende der Ungläubigen. Wenigstens dann werden die Ungläubigen merken, dass es noch mehr gibt als das Leben im Hier und Jetzt. Die Antwort eines Ungläubigen auf diese Feststellung wäre aber wohl „Ich glaube, dass ich davon nichts mehr merken werde!“

Die Frage „Ist das gerecht?“ kann aus der Sicht Jesu nur mit einem Wort beantwortet werden: JA. So sieht Gottes Gerechtigkeit aus. Gott macht keine Unterschiede bzgl. des Wohlergehens bei Christen oder Mitgliedern von Vereinen, Clubs oder sonst was. „Gutes“ Wetter richtet sich nicht nach der Gläubigkeit der Bewohner im Land - sonst wäre ja auch Südeuropa eindeutig als „gläubigster Bereich in Europa“ zu deklarieren. Christen sollten also auch getrost aufhören für gutes oder schlechtes Wetter zu beten, wenn eine Aktion ansteht. Gott lässt es sowieso regnen oder war, werden. Über Gerechte und Ungerechte. Über schlechtes Wetter kann man sich ärgern. Über gutes Wetter kann man sich freuen. Am besten gemeinsam mit denen, die glauben oder nicht glauben.

Die „Wettergerechtigkeit“ Gottes macht aber noch etwas anderes deutlich. So wie mit dem Wetter, so ist es auch mit der Gerechtigkeit, die Gott für jeden Menschen bzgl. des Verhältnisses zu ihm anbietet.  Der Apostel Paulus versteigt sich im Römerbrief zu der nicht zu überbietenden Aussage: „Da ist keine, der vor Gott gerecht ist, auch nicht einer!“ Keiner kann vor Gott bestehen, keiner hat eine weiße Weste, sei er Christ, Atheist, Nihilist, Buddhist, Moslem oder sonst was. Alle sind sie darauf angewiesen, dass es regnet. Dass die Sonne scheint. Regen und Sonnenschein wird „geschenkt“. An der Wetterlage kann man nichts drehen. So ist es auch mit dem Glauben, der dafür sorgt, dass man im Hier und Jetzt und auch in der Ewigkeit (siehe die verzweifelten Aussagen der Psalmisten) Gemeinschaft mit Gott hat.
Wenn einem die Gnade des Glaubens auf irgend eine Weise nahekommt, wenn man hört oder ahnt, dass etwas an der Sache mit Gott dran ist, dann fühlt sich das innerlich an wie äußerlich ein warmer wohltuender Regenschauer. Oder wie die wärmende Sonne. Dann sollte man keinen Regenschirm aufspannen, um den Regen/ die Gnade abzuhalten. Dann sollte man, wie beim Sonnenschein, die „wärmende Gnade“ einfach an sich ran lassen, wie die Sonne an die Haut.