Christliches Fastfood und bewegte Christen

Persönliche Beobachtungen und Anmerkungen zur „christlichen Szene“ in Ghana

Ich habe nur einen kleinen Ausschnitt kennen gelernt. Was sind schon 14 Tage in Ghana als „Ersterfahrung“? Eigentlich viel zu wenig, um sich ein Bild zu machen. Vorweg also: Dies sind sehr persönliche und auch sehr ausschnitthafte Beobachtungen und Anmerkungen.

Schon auf der Fahrt vom Flughafen zu unserer ersten Unterkunft waren sie mir aufgefallen, die großflächigen Werbeplakate mit christlichen Inhalten. Vielmehr: Werbeplakate, die zur Teilnahme an „Easter Revivals“ einluden. Ein angeblich vollmächtiger Pastor (Frauen waren nie abgebildet) mit aktuellem Thema gestaltet mehrere Tage lang eine „Power-Veranstaltung“ für Christen oder für die, die es werden wollen. Bunte Farbe, starke Worte und fromme Titel sprangen mir von Häusern und Brücken entgegen. Ach, so „christlich“ ist Ghana?

Nach ein paar Tagen dann der erste Gottesdienst in einer katholischen Kirche in einer kleinen Stadt nördlich von Accra. Etwa 4 oder 5hundert Gottesdienstbesucher füllen die Kirche. Je nach aktueller Stromversorgung drehen sich die Ventilatoren an der Decke. Oder sie drehen sich auch nicht. Genau wie die Christen. Mal sitzen sie ruhig in den Bänken und folgen der katholischen Gottesdienstliturgie, die die Teilnehmer eher „runterfährt“. Dann drehen sie sich plötzlich wieder, wie unter Strom, um ihre eigene Achse und auch im ganzen Gottesdienstraum: Eine Prozession, tanzend und singend, durch die eigenen Reihen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Chöre drehen auf, die Leute lachen und freuen sich und der Priester schaut sich das ganz Spektakel an. Tanzend liefern die Gottesdienstteilnehmer ihre Scheine oder Münzen an einem Glaskasten, der vorne steht ab. „Kollektentanz“. Mal was Anderes. Wie lange wird eigentlich getanzt und Geld eingeworfen? Der bissige Kommentar eines Europäers, den ich in Ghana kennenlerne, lautet: „Die Pastoren lassen die Leute so lange in der Kirche tanzen, bis sie ihr Gehalt zusammen haben und sie sich einen Mercedes kaufen können! Alles Geldmacherei hier in Ghana!“

Nein, so will ich das (noch) nicht sehen. Die Leute sind wenigstens dabei. Sie gehen noch zum Gottesdienst. Und tatsächlich, der Priester und auch sein Übersetzer, der aus dem Englischen in die Landesprache übersetzt, sind bemüht, den Gläubigen zu sagen, dass sie den christlichen Glauben doch bitte nicht als Unterhaltungsprogramm für den Sonntag ansehen sollen.

Nein, der Glaube zeige sich am deutlichsten im Alltag. Und da würde sich bewähren, ob man „Hosianna!“ oder „Kreuzigt ihn!“ ruft (immerhin ist ja Palmsonntag. Das erkennt man nicht nur an den einzelnen Palmwedeln, die man in den Reihen sieht, sondern auch an den besonders herausgeputzten Christen, die bemüht sind, ein glänzendes Bild abzugeben). Vor dem Eintauchen in die katholische Welt waren wir kurz bei den Baptisten. Nur 10 Minuten. Da war noch kein Gottesdienst, sondern „Sunday-School“. Etwa 100 Kinder in Reih und Glied geordnet. Und natürlich haben sie den weißen Gästen – und dazu noch der kleinen Delegation der deutschen Baptisten – artig und laut ein „Welcome!“ zugerufen. Ein reizendes Bild: Kinder am Sonntagmorgen auf kleinen Plastikstühlen, aufgereiht wie Perlen an einer Kette. Die Kultur in Ghana ist echt eine andere!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwischen Palmsonntag und Ostern fallen sie mir immer wieder auf. Die Bibelverse, die christlichen Sprüche und Hinweise auf Autos, an Häusern, auf Motorrollern, an Verkaufsständen, auf T-Shirts und auf Imbissbuden: „Thank you Jesus-Fast-Food“, „God is good al the tym“, „Jesus is coming back, are you prepared?“, „God provides“, „The Lord is my shepard“ usw. usw..

Unglaublich, mit welcher Vehemenz christliche Sprüche plakatiert werden.
Einen kenne ich noch so gar nicht. Und die Umgebung und die Gesamtstimmung lassen mich geradezu ein wenig gerührt sein: Auf einem einsam am Ufer liegenden Fischerboot an einer romantisch erscheinenden Stelle eines Ausläufers der größten Stausees der Welt, lese ich am Volta-Ufer, längs über mehrere Meter am Holzboot geschrieben: „Wenn Gott ja sagt, wer kann da nein sahen?“

Ja, das sehe ich genau so. Und ja, das ist sogar Teil meiner Lieblingsbotschaft. Ich kann es einfach nicht anders sagen: Ich bin total gerne Christ, weil ich glaube, dass die Botschaft, die wir Christen einfach der Hit ist. Sie taugt für’s Leben und sie taugt auch für’s Sterben. Das „Ja“ Gottes ist dermaßen klar und deutlich, dermaßen unumstößlich und lebensfördernd, dass man einfach mit „Ja“ antworten muss. Aber nein, man muss gar nichts.

Und andererseits ist es auch nachvollziehbar, dass viele Leute eben nicht „antworten“ oder schlichtweg „Nein“ sagen, weil die vorfindliche Wirklichkeit (und das nicht nur in Ghana, sondern auch in Deutschland und um den ganzen Globus herum) eben alles andere als ein dickes „Ja!“ ausstrahlt. Dennoch: Ich bin gerührt beim Anblick des grünen Fischerboots mit christlicher Botschaft. Und ich freue mich über das „Ja“ Gottes, das ich für mich und mein Leben höre.

Wie das „Ja“ zu hören ist, wie die biblische Botschaft zu verstehen ist, darüber diskutieren wir mit einigen Leuten unserer kleinen Reisegruppe immer wieder einmal. Und: Ich komme ins Nachdenken. Es kann doch nicht sein, dass der Glaube nicht gedacht und begründet wird, oder? Wenn der Glaube etwas für erwachsene Menschen sein soll, dann muss er auch erwachsen gelebt werden. In den vergangenen Tagen habe ich eine geniale Vorlesung von Siegfried Zimmer gehört, in der er den Glauben, der manchmal „kindlich“ daherkommt und nicht selten in  evangelikalen Kreisen beheimatet ist, als „kindisch“ und unbiblisch entlarvt. Und er holt aus, was die „Dummheit“ mancher Leute angeht. Mich beschleicht die Sorge, dass manches an rausgehauenen Sprüchen und Einstellungen, die ich in Ghana gelesen und auch gehört habe, einem eben solchen von Zimmer in Frage gestellten Glauben entspringen. Aber vielleicht ist das ja auch nur mein Thema, bei dem ich dringend mal was unter die Füße bekommen muss.

Ostersonntag.
Eine kleinen Baptistengemeinde in Kokrobite. 50 oder 60 Leute plus 40 oder 50 „Kinder-Leute“. Der Gemeindeleiter tigert durch die Kirche und sorgt dafür, dass der Gottesdienst am Laufen bleibt. Da kann man auch mal in der Kirche ans Handy gehen. Oder den Musiker mehr oder weniger deutlich vor allen anderen zurechtweisen, dass er zu laut oder zu leise spielt. Laut ist es eigentlich durchgehend.

Musik von der Band und ein Gesang, dass mir die Ohren wegfliegen. Und weil das noch nicht reicht, schaltet man zur Ehre Gottes auch noch die Verstärkeranlage an. Laut istgleich gut. Gut, dann ist das wohl so. Die deutschen Gäste werden begrüßt und, oh, das ist ja ein Pastor, da kann er ja gleich eingeladen werden zu predigen. Ich habe Short und ein dreckiges Hemd an (am Ostersonntag!). Okay, geht schon. Eine meiner Lieblingspredigten kriege ich schon irgendwie ins Englische übersetzt. Und der Übersetzer ins die Sprache der Region übersetzt. Ich baue Mike Püllen, einen begnadeten Drummer (man sollte ihn mal bei youtube anschauen,wenn man ihn noch nicht kennt), der zu unserer Reisegruppe gehört, in die Predigt ein.
Er setzt sich ans Schlagzeug und bringt die Gemeinde zum „Kochen“. Wir haben unseren Spaß. Spaßfaktoren im Gottesdienst sind nicht zu unterschätzen. In Ghana zumindest nicht. Und machen wir uns keinen vor, in Deutschland auch nicht... .

Die Stimmung im Gottesdienst ist entspannt. Keine Liturgie wie bei den Katholiken, aber doch ein fester Ablauf, der es in sich hat: Immer bevor etwas am Mikro gesagt wird, muss erstmal zur Ehre Gottes gesungen werden. Und ein Begrüßungslied für die weißen Gäste. Und ein Lied vor der Predigt des weißen Pastors. Und viele Lieder dann zum „Kollektentanz“. Der Tanz der Freikirchler wirkt im Vergleich zum Katholikentanz eine Woche zuvor etwas ekstatischer. Der unterkühlte deutsche Gast muss sich erstmal daran gewöhnen, lässt sich dann aber doch einladen, mitzutanzen. Disko-Tanz in der Baptistenkirche. Das muss man gesehen haben, sonst glaubt man es nicht. Andere Welt. Das muss etwas mit Kultur zu tun haben.
Wohl weniger mit Glaubensinhalten. Aber unseren Spaß haben wir.

Nachmittags, ich sitze allein am Strand, versuche ich meine Gedanken zu sortieren: Lautstärke und Tanz, Bibel und Bewegung, „fromme“ Sprüche, wohin das Auge schaut. Auch meinen ghanaischen Schwestern und Brüdern will ich ihren Glauben glauben. Nichts anderes als mit den deutschen Mitgläubigen. Ganz egal, welche Nation und welche Kultur, bei manchen Leuten fällt mir das leicht, bei anderen nicht so. Auf mich und meine Einschätzung kommt es ja sowieso nicht an.

Ich denke an die Worte des katholischen Priesters. Und an meine eigenen zu Beginn der ersten und wohl letzten Predigt, die ich in Ghana gehalten habe. „Der Herr ist auferstanden!“ Das ist gut so. dem Auferstandenen wird wohl nichts aus den Händen gleiten.

Ich denke gerne an die vielen bunten Eindrücke des christlichen Lebens in Ghana. Und wer sollte schon „nein“ – auch zu Menschen – sagen, wenn Gott „ja“ zu allen Menschen sagt.