Was wollte Luther eigentlich?

Was wollte Luther eigentlich?


„Der wahre Schatz der Kirche ist das hochheilige Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes“ – also nicht die Verdienste der Heiligen, nicht der Ablass, nicht die guten Werke, nicht die Reliquien, nicht die Tradition und Besitztümer der Kirche, nicht die geweihten Kleriker als Heilsvermittler!

Diese angeblichen ‚Schätze’ täuschen die Menschen, sie schaffen falsche Abhängigkeiten und dienen nur dem Machtstreben der Kirche.

Dieser Satz gehört als 62. These zu den 95 Thesen, mit deren Veröffentlichung am 31. Oktober 1517 Luther nach akademischem Brauch zu einer theologischen Disputation über das rechte Verständnis der Buße, über den Nutzen der Ablässe und den Sinn der kirchlichen Bußpraxis einladen wollte.

Luther selber spricht von einem „Disputationsplakat“. 
Der Ablasshandel, u.a. zugunsten der Finanzierung des Petersdom in Rom, hatte gerade eine höchst fragwürdige „Konjunktur“ erlebt. Luther war fest davon überzeugt, bei seiner theologischen Kritik den Papst als „Schutzpatron“ auf seiner Seite zu haben, „auf dessen Vertrauenswürdigkeit ich mich damals noch völlig verließ...“

Die unerhört schnelle und weite Verbreitung der Thesen inkl. ihrer deutschen Übersetzung überraschte den Autor nicht wenig. Was als theologischer Disput unter Studenten und Dozenten der Universität gedacht war, wurde ungeahnt zum Signal einer sich unaufhaltsam ausweitenden Bewegung, die alle Stände und Schichten der Gesellschaft auch über die Grenzen der deutschen Fürstentümer hinaus erfasste. 
Nicht zu Unrecht gilt der 31. Oktober 1517 bis heute als Gedenktag der Reformation.

Hier wird auch deutlich, dass der Auslöser der Reformation ein biblisch-theologischer Impuls, die Entdeckung und Betonung der Einzigartigkeit des Evangeliums war. Das sollte auch ihr charakteristisches Merkmal bleiben.

Kritiker der Kirche, ihres anstößigen Erscheinungsbildes, ihrer finanziellen Forderungen und der kritikwürdigen Praxis der Kleriker gab es seit Jahrzehnten. Die „Beschwerden“ (Gravamina) sind seit 1456 öffentlich vorgetragen und wiederholt modifiziert worden.

Eine Erneuerung der Kirche „an Haupt und Gliedern“ ist schon von den „Vorreformatoren“ (u.a. von John Wyclif und Jan Hus) angemahnt und verstärkt durch den Geist des Humanismus erhoben worden.

Mit Martin Luther meldete sich jetzt aber eine Stimme zu Wort, die nicht nur die äußeren Missstände in der Praxis der Kirche kritisierte, sondern die von innen her, vom Kern und Wesen des Evangeliums her zu Korrektur und Erneuerung aufforderte.

Aufgrund seines intensiven Schriftstudiums, das durch seinen Lehrauftrag als Ausleger der biblischen Schriften verstärkt wurde, gewann Luther die entscheidenden Anstöße und maßgeblichen Kriterien für seine herausfordernden Einsichten und Positionen. Dabei hatte er zunächst die Hoffnung, seine Kirche für die gebotene Erneuerung gewinnen zu können.

Mit der Betonung „sola scriptura“ – allein die Heilige Schrift ist der verbindliche Maßstab - aber zog Luther die massive Kritik und den leidenschaftlichen Widerspruch seiner Kirche auf sich. Weil er unter Berufung auf sein an die Heilige Schrift gebundenes Gewissen nicht widerrufen wollte, musste er erleben, dass er als „treuer Sohn seiner Kirche“ schließlich als Irrlehrer verurteilt und ausgestoßen wurde.

Wurde in der Theologie bis dato die Heilige Schrift vorrangig unter dem Blickwinkel der Auslegungen der Väter, ihrer Sentenzen (=Meinungen) und Kommentare gelesen und in der Diskussion mit ihnen ausgelegt, die Schrift also durch die Tradition gefesselt und begrenzt, betonte Luther die Alleingültigkeit der Heiligen Schrift, die für sich spricht und in sich klar und eindeutig ist:

„Wenn euch jemand antastet und sagt: Man muss der Väter Auslegung haben, die Schrift ist dunkel, sollt ihr antworten: Das ist nicht wahr. Es ist auf Erden kein klareres Buch geschrieben als die heilige Schrift; sie ist gegenüber andern Büchern wie die Sonne im Vergleich mit jedem andern Licht. Sie reden so nur deshalb, damit sie uns von der Schrift wegführen und sich selbst zu Meistern über uns erheben... Es gibt nichts Helleres als die Sonne, d.h. die Schrift... Ist also ein dunkler Punkt in der Schrift, so zweifelt nur nicht, es ist gewiss dieselbe Wahrheit dahinter, die am andern Ort klar ist...“

Die Heilige Schrift legt sich selber aus – bis heute gilt dieses reformatorische Bekenntnis für jeden Bibelleser und –ausleger! 
„Sind die Worte an der einen Stelle dunkel, so sind sie an der anderen dafür klar.“ (1525)

Das setzt voraus, dass der biblische Text in seiner historischen Gestalt und Bedeutung zu beachten ist und nicht als Sprungbrett für eigenmächtige und willkürliche Höhenflüge der Auslegungskunst missbraucht werden darf. Daher rührt das Bemühen um die biblischen Sprachen, um die zuverlässige Gestalt der Texte wie um eine verantwortliche und verständliche Übersetzung der Bibel.

Die Frage nach der „äußeren Klarheit“ der Schrift ist entschieden: „Was könnte in der Schrift noch verborgen bleiben, nachdem die Siegel erbrochen, der Stein vom Tor des Grabes gewälzt und das höchste Geheimnis verkündet ist: Christus Gottes Sohn sei Mensch geworden, Gott sei dreifach und einer, und Christus habe für uns gelitten und herrsche in Ewigkeit? ... Tu Christus aus der Schrift hinaus – was ist dort dann noch zu finden?“ (1525)

Neben dem „allein die Schrift“ leuchtet hier die alles entscheidende Erkenntnis auf: „Christus allein“ (solus Christus)! Mit dieser Konzentration auf Jesus Christus begründet Luther sein Schriftver-ständnis wie überhaupt seine gesamte Theologie in allen ihren Auswirkungen auf Lehre und Leben der Kirche. (Dass dazu auch falsche Urteile und fehlerhafte Verkürzungen gehören, steht außer Frage.)

In seiner eigenen Glaubensgeschichte hat der Blick auf den gekreuzigten Jesus Christus den leidenschaftlich um sein Heil bemühten Mönch Luther überhaupt erst zum „Durchbruch“, zur Gewissheit des Glaubens geführt.

Das vollgültige Opfer des Sohnes Gottes, die Sühne aller Schuld der Menschen, die Gott angenommen und in der Auferweckung Jesu bestätigt hat, enthebt uns Menschen aller Bemühungen, durch Askese, Selbstkasteiungen, gute Werke oder sonstige Opfer Sühne vor Gott, Genugtuung, Gnade zu erlangen.

Diese einzigartige Befreiung und Entlastung bestimmt Luther fortan, sie inspiriert ihn in seiner theologischen Arbeit, sie hält ihn in den Phasen der Anfechtung.

„Allein aus Gnade“ (sola gratia) werden wir von Gott zum Heil erwählt, um Jesu willen gerecht gesprochen und zu seinen Kindern gemacht.

„Allein durch den Glauben“ (sola fide) empfangen wir diese kostbare Gabe, leben wir, was wir in den Augen Gottes sind, werden wir unseres Heils gewiss.

Das aber erfahren wir allein durch den Heiligen Geist, der die „innere Klarheit“ der Schrift bestätigt: „Niemand kann Gott noch Gottes Wort recht verstehen, er habe es denn unmittelbar von dem heiligen Geist. Niemand kann’s aber von dem heiligen Geist haben, er erfahre es, versuche es und empfinde es denn. Und in dieser Erfahrung lehrt der heilige Geist als in seiner eigenen Schule...“(1521)

Darin liegt die Freude über die Entdeckung des Evangeliums, das ist reformatorisches Bekenntnis.


Edwin Brandt


Dieser Artikel erschien im Internet ursprünglich auf www.reformationsschild.de
. ewigkite.de dankt www.reformationsschild.de und E.Brandt ganz herzlich für die Erlaubnis diesen Artikel, der erstmal 2010 in einer Zeitschrift erschien, zu veröffentlichen.

Bilder und Texte - Nicole Frischlich

 

 

Bilder und Texte

 

Nicole Frischlich hat ewigkite.de Bilder und Texte zur Verfügung gestellt.

Sie schreibt dazu: 

"Es ist die Freude an meiner Arbeit und eine noch größere wenn andere Menschen damit etwas anfangen können,
sich die Mühe machen, sich auf meine Werke einzulassen....und vielleicht sogar darüber nachdenken und auch beginnen über ihr Menschsein nach zu denken.
Wir haben unlängst so oft vergessen über den anderen auch einmal nachzudenken,
weil wir in unserem eigenen Denken verfangen sind."
Wer mehr über "nifri" erfahren möchte, findet hier Einiges: www.lebedeinekunst.de/nifri

Viel Freude beim Betrachten und Nachdenken.

 

 

 


 

Augenblick

Welcher Augenblick ist der, der Dir an Bedeutung bleibt,
der Dir in Deinem Inneren das Licht voller Wärme erstrahlen lasst?

Welcher Augenblick ist der, der Dir den Boden unter den Füssen raubt,
der Dir in seiner Mächtigkeit redundant jeden Platz Deiner eigenen Welt besetzt?

Welcher Augenblick ist der, der in seiner Komplexität und Intensität
seinen Wert schenkt,
der Deinen Verstand in diese Richtung lenkt,
Deiner eigenen Selbsterkenntnis und notwendigen Handlung?

Welcher Augenblick ist der, der diesen Einfluss entwickelt?

Es ist jeder Augenblick in Deinem Leben!

 

 

 

 

Das Vorurteil 

Wer nicht mit dir sprechen mag, 

der wird dich nie kennenlernen.

Wer dich gar nicht erst ansieht,
der wird sich auch nie selber sehen!

Wer nicht mit dir lachen mag,
...wird auch niemals mit Dir weinen!

Der Mensch hütet es gerne,
so erschreckend gerne!

Das Vorurteil!


 


 

 

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Gut zu wissen! 

Was ist gut zu wissen?
Frage ich Dich. Fragst Du mich!
 

Fragen wir uns.

Gut zu wissen
unser Nichtwissen,

dessen Wissen
uns jeden Tag begleitet! 

Also was sollten wir wissen? 


 


 

 

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Begehren

Es ist das Wissen des nicht Könnens
über das Begehren des Könnens des anderen,
was dieses Gift verspritzt.
 

Das Wollen und auch das Tun
verflucht so sehnlichst
das stumme Zehren wachsender Mächtigkeiten.  
Es wird nie ruhn´!
 


 


 

 

 

 

 

 

Das neue Licht im alten Schein

Das Geschenk der Nacht für den Morgen

gleicht einer müden Frau

die auf dem Morast des Bodens verharrt.

Alles beginnt von vorn.

Alles wird wieder lebendig.


Wie einst die alte Arche

unter den Arkaden der Zeit

unsere Atem in die Trockenheit brachte.

Möglich, möglich!

Alles ist unmöglich

und wird möglich.

Lediglich nur

aus dieser einen Sicht.


So möglich,

wie die Schritte der

heißesten Tänze im Rhythmus

der gleitenden Körper.

Mit meinen Offenen Händen

umarme ich alles.

Eine Frau schenkt Leben.

Und die Erde schleudert im tapferen Spiel
um ihr Licht und Schatten

ihr Gesicht.

Mit meinen Händen umarme ich alles.

Alles beginnt von vorn.

Alles beginnt zu wachsen.


Wie einst die alte Arche

durch Wogen und Wellen

das zarte Lebende so tapfer trug.

Möglich, möglich!

Alles ist unmöglich

und wird möglich.

auch aus meiner Sicht.


So möglich, wie unsere Körper

zu Staub zerfallen.

Was ich schon immer zelebriert habe.

Ich weine für die Liebe

beweine die grauen Ruinen

in den düster geflochtenen Herzen.


All´ meine Jahre, fest umhüllt in einem Blatt

wie eine zärtliche Puppe

so wie eine Frau,

die neues Leben schenkt.

Es gibt nicht viel neue Hoffnung

für die verhärmte Menschheit.

Schau, sieh höher und

ein anderes Jahrhundert wartet

in Ungeduld auf der Startlinie.


Wie die alte Arche einst

und die junge unbefleckte Frau

neues Leben schenkten.

Denn wisst Ihr,

alles ist möglich!

 

 


 

 

 

 


 

Doppelmoral

Die wachen Augen Deines Gegenübers

umkleiden dieses spitze Lächeln

umkreist von der großen Nachbarschaft.

So groß der Charme, so weise die Worte.

Was darfst Du,

Was darf ich?

Was dürfen wir?

Der Fingerzeig auf die Moral der Menschen.

Hin und Her.

Her und Hin.

Wo steckt der beste menschliche Sinn?

Was hat Dein Vorfahr Dir versprochen?

Ein Leben,

mit Wagnis, Mut und Unverstand.

Niemals waren diese Werte zerbrochen.

Wer wagt,

gewinnt

und verliert

doch Spaß.

All´ Deine Träume zerronnen im Sand.

Der eine falsche Schritt

so voller Glück auf unbekanntem Weg.

Wer wagt das Urteil klug zu fällen?

Wer trägt Moral durch diese Welt?

Vor und zurück,

zurück und vor.

Das Wort, dass gilt

Du selbst zu sein.


Die Sache mit der Sünde

 

Die Sache mit der Sünde.
Ein Gespräch mit Carsten Hokema und Jörg Swoboda
(Das folgende Gespräch wurde in der Zeitschrift "Die Gemeinde" - DG - im Juni 2012 veröffentlicht.)


DG: Was ist denn eigentlich Sünde?

JS: Sünde ist eine Haltung Gott gegenüber, die sich im konkreten Verhalten äußert. Und im Widerspruch zu Gottes Willen steht. Wir stemmen uns mit unserem eigenen Willen gegen Gottes Willen. Das wir Sünder sind, äußert sich darin, dass wir Sünde tun.

CH: Nicht in der Gemeinschaft mit Gott leben, ob gewollt oder ungewollt. Ich befürchte, dass die meisten Menschen ungewollt nicht in der Gemeinschaft mit Gott leben. Dass sie überhaupt keine Ahnung davon haben, dass Gott Gemeinschaft mit ihnen möchte. Deswegen leben sie von Gott getrennt. Jörg, du hast das gerade so aktiv formuliert – ich befürchte, die meisten wollen das gar nicht oder denken nicht darüber nach, dass sie so leben wie sie leben.


DG: Was ist eigentlich das Problem mit der Sünde?

JS: Das erleben wir täglich. Sünde hat unglaubliches zerstörerisches Potenzial. Sie schränkt das Leben, das Gott uns geschenkt hat, ein und zerstört es. Die Welt steht in Flammen, es toben zur Zeit 35 Kriege und noch viel mehr Kriege im familiären und beruflichen Bereich. Beratungsstellen können gar nicht so viele Termine vergeben, wie Leute um Gespräche bitten. Das zeigt, dass wir in einer Dauerkrise des Menschen leben. Jede Nachrichtensendung beweist, was das Problem mit der Sünde ist.

 

CH: Ich stimme dem zu. Aber wir sitzen hier in einem Cafe, ich sehe eine wunderbare Natur, draußen scheint die Sonne. Das ist Grund zur Dankbarkeit. Es gibt viele Menschen, die sich heute an einem freien Tag investieren für andere Menschen. Es gibt viele funktionierende Familien. Ich lebe als Christ in einer Welt, in der ich klar die Anzeichen des Verfalls sehe. Gleichzeitig sehe ich auch das Wirken Gottes. Das ist die Herausforderung: Einerseits zu sagen: Die Welt steht in Brand. Und andererseits: Das Reich Gottes ist schon mitten unter uns.

 

DG: Gehört die Sünde überhaupt in die Predigt?

JS: Ja, unbedingt, unverzichtbar. Ich kann gar nicht über Rechtfertigung reden, ohne Sünde zum Thema zu machen, denn Rechtfertigung ist Rechtfertigung des Sünders. Vergebung ist Vergebung von Sünden, Begnadigung ist Begnadigung von Verurteilten. 

 

CH: Bei Jesus und den Aposteln entdecke ich: sie predigen nicht über Sünde. Jesus predigt die Sündenvergebung. Denke wir an Markus 2: Jesus hat dem lahmen Mann keine Sündenpredigt gehalten, sondern einfach Sünden vergeben. Das ist schon erstaunlich. Die Lasterkataloge finden wir dann in anderen Teilen des Neuen Testaments. Und die richten sich an Gemeinden. Aber in der evangelistischen Predigt predige ich nicht über Sünde, sondern von der Sündenvergebung.

 

JS: Das Mensch ist ja ein großer Experte in Selbstentlastung und Selbstrechtfertigung. Er ist von Natur aus ein großer Selbstbetrüger, weil er Dinge nicht so wahrnehmen möchte, wie sie nun mal sind. Wenn ich mir die Bergpredigt anschaue, spricht Jesus sehr konkret über Verfehlungen. Der Evangelist muss den Menschen, der von sich behauptet gut zu sein, anhand der Heiligen Schrift nachweisen, dass er ein Sünder ist. Sonst versteht er nicht, weshalb er Vergebung braucht. Ohne die Konkretion verflacht die evangelistische Verkündigung zur Abstraktion von der Liebe Gottes.

 

CH: Was die Bergpredigt angeht, möchte ich dir widersprechen. Ich sehe darin keine Predigt über Sünden, sondern eine Darlegung, wie die Nachfolger Jesu zu leben haben. Aber Jesus listet keinen Katalog auf. Was er sagt: Eure Gerechtigkeit soll noch etwas mehr sein. Passt auf, dass ihr euch nicht in einer Katalogisierung von Verhaltensweisen verliert. Das Problem mit der Predigt über Sünden ist, dass man so leicht Sünde mit Moral verwechseln kann. Dann leuchtet das Evangelium nicht mehr, es wird gesetzlich.

 

JS: Sünde hat auch mit Moral zu tun.


CH: Ja, aber nur bezogen auf die Tatsünde. Es geht ja darum, dass Menschen getrennt sind von Gott. Und diese Sündenerkenntnis werden sie nicht dadurch bekommen, dass ich ihnen einen Katalog aufliste, was alles schlecht ist in ihrem Leben, sondern dadurch, dass ich ihnen die Liebe Gottes vor Augen male. Und dadurch, dass ich ihnen das Reich Gottes verkündige. Sündenerkenntnis hat es mit Glauben zu tun. Ich komme doch erst zur Sündenerkenntnis, wenn ich die Wirklichkeit Gottes angenommen habe.


JS: In der Bergpredigt spricht Jesus wiederholt vom Gericht Gottes. Das macht nur Sinn, wenn es da etwas zu verurteilen gibt. Es ist ja nicht so, dass die Bergpredigt, so wie du gesagt hast, nur eine allgemeine Verhaltensethik beschreibt, sondern auch ganz markant Verfehlungen benennt. Wenn Jesus zu seinen Zuhörern sagt: „Ihr Heuchler“ und versucht, ihnen durch diese krasse Anrede die Augen zu öffnen, dann merkt man, wie das genau hineinsticht in diese Blase von Selbstbetrug und Selbsttäuschung.


CH: Aber das gegenüber den Frommen. „Ihr Heuchler, ihr getünchten Gräber, …“ das sind die Frommen. Das sind wir in den Gemeinden, die die Sünde innerhalb der frommen Gesellschaft nicht beim Namen nennen. Der Sünderin, die gesteinigt werden soll, sagt er: Ich verurteile dich nicht. Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr. Er musste ihr nicht sagen, was die Sünde ist. Jesus predigt die Sünde nicht, er predigt mehr: Ihr könnt es anders.


JS: Hier steht in der Bergpredigt: Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, und danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst. Das passt nicht zu dem, was du gerade gesagt hast. Das jemand nur durch die Begegnung mit Jesus von selbst darauf käme, in welchem Schlamassel er steckt. Die Lebenssituation bedarf der prohetischen Deutung durch den Evangelisten.
Nehmen wir nur zum Beispiel Beispiel Nathan und David. Als David in seiner Selbsttäuschung immer noch nicht begreift, sagt Nathan: „Du bist der Mann.“ Das ist das, was ein Evangelist leisten muss. 


CH: Interessant, dass wir an die Nathangeschichte gekommen sind. Wie spricht denn Jesus? Wenn ich evangelistisch predige, dann versuche ich die frohe Botschaft von der Vergebung der Sünden und der Gerechtigkeit Gottes zu verkündigen. Da gehört natürlich dazu, dass ich vom Reich Gottes spreche. Wie ist das Reich Gottes? Es ist Gerechtigkeit, es ist Shalom, es ist Frieden. Das wir Menschen dazu nicht beitragen, das sage ich natürlich auch. Aber ich fange nicht an und sage: Das und das machen wir falsch, wir müssen uns ändern. Sondern ich sage: Gottes Idee ist eine andere. Sie fängt mit dem Paradies an.


JS: In meiner Verkündigung verstehe ich meine Aufgabe so, die zusammenhängende Darstellung der Elemente des Evangeliums zu bringen. Aber wie gesagt: die Zusammenhänge darstellen und weder die Vergebung noch die Sünde zu isolieren, sondern zu zeigen, wie sich das eine auf das andere bezieht.


CH: Jesus sagt: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium. D.h. das Reich Gottes ist die große Vokabel, die ich verkündige. Buße hat es mit Sinnesänderung, mit Umdenken zu tun. Wenn ich das Reich Gottes vor Augen habe, weiß ich auch, wohin ich mich ändern muss. Letzte Woche habe an einem evangelistischen Abend nur über das Paradies gesprochen. In einem Gespräch am Tisch sagte mir später eine Frau: „Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen.“ Ich frage: „Warum haben Sie ein schlechtes Gewissen?“ Und sie: „Sie haben so vom Paradies und gesprochen und davon, dass Gott es gut meint.“ Und dann erzählte sie mir, warum sie ein schlechtes Gewissen habe. Aber davon hatte ich gar nicht gesprochen. Für unser Gespräch bedeutet das doch: die Verkündigung der Gerechtigkeit des Reiches Gottes führt auch dazu, dass Menschen merken: Ich bin ungerecht. Und das Gewissen in mir regt sich.


DG: Was bedeutet der Satz dass „die Güte Gottes zur Buße leitet“ (Rö 2, 4)?


CH: So versuche ich Menschen für Christus zu gewinnen. Dass ich versuche deutlich zu machen, was für ein wunderbarer Erlöser Jesus ist, der vergibt, der uns befreit.


JS: Der Erlöser Jesus Christus erlöst uns aus Liebe vom Zorn Gottes, über den Paulus in Römer 1,18 schreibt. Ohne diesen Bezug wäre die Predigt verträumt und realitätsfern. Die Pole Himmel und Hölle, Gnade und Gericht, dürfen wir nicht voneinander trennen. Gollwitzer hat gesagt, Evangelium ohne Gericht wäre ein Schlafmittel. Für Paulus ist nach Römer 2,16 das Gericht Teil des Evangeliums. Nur durch den tiefen Ernst dieses Zusammenhangs wird das Evangelium und die überraschende Güte Gottes überhaupt verständlich.  Die zusammenhängende Darstellung der Grundelemente des Evangeliums – das ist die ganze Botschaft. Diese ganze Botschaft gewinnend an Herz und Gewissen zu richten, ist meine Aufgabe.


DG: Wenn ich also bei Carsten Hokema in die evangelistische Verküdigung gehe, dann wird mir das Reich Gottes vor Augen gemalt, wenn ich bei Jörg Swoboda bin, höre ich zunächst, wie ich vor Gott dastehe und bekomme dann einen Weg aufgezeigt, wie ich da rauskomme. Kann man das so zuspitzen?


JS: Ich predige in der Evangelisation nicht speziell über theologischen Systeme, sondern sondern lege Bibeltexte aus. Da kommt da
s eine wie das andere vor. 


CH: Bei mir gibt es ein theologisches System: das Reich Gottes, die Vergebung der Sünden, die Barmherzigkeit Gottes, die aufleuchten soll. Dann greifen ich auch zu Erzähltexten. Aber das mit dem Reich Gottes, das stimmt.


DG: Ihr wart beide beim Dienstbereich Mission angestellt. Hat der Dienstbereich von eurer Unterschiedlichkeit eigentlich profitiert?


JS: Ja. Was ich aus dem Dienstbereich als Erinnerung und als Schatz mitnehme, ist die herzliche Gemeinschaft und die Unerbittlichkeit, mit der wir gegenseitig theologische Postionen in Frage gestellt haben und um Klarheit gerungen haben – bei gleichzeitiger Erhaltung der geistlichen Bruderschaft.


CH: Ich glaube nicht, dass es für den Dienstbereich an sich eine große Bereicherung war. Ich glaube, dass es für unsere Gemeinden eine große Bereicherung war. Es gibt Gemeinden, die theologisch sehr unterschiedlich „ticken“ – und die laden sich natürlich Verkündiger ein, von denen sie meinen, dass sie zu ihrer Theologie passen. Was uns eint: wir möchten, dass Menschen zum Glauben finden. Deswegen geht das mit uns. Wenn das nicht im Blick ist, auch in unseren Gemeinden, dann geht das nicht. Mission hält auch zusammen.


DG: Vielen Dank für das Gespräch.

Celebrating Reformation?

Celebrating the Reformation?

By Neville Callam/ General Secretary of the Baptist World Alliance

Some people regard the 16th century reformation as one of the great irruptions in history that had deleterious consequences for the visible unity of the church and wonder whether it should be celebrated.  They argue that those who shared in the doctrinal disagreements of the day felt convinced they had discovered the mind of Christ around the matters that lay at the heart of the controversy. On account of this, they were steadfast in holding to their convictions, whatever the cost.

On the one hand, Martin Luther, a former Roman Catholic monk, spoke against works-righteousness and trumpeted, with fierce determination and insuperable courage, the doctrine of the primacy of grace. Salvation, he said, was not to be understood as the result of human merit.

On the other hand, the Council of Trent, convened by Pope Paul III in 1542, issued its own declaration: “Faith is the beginning of human salvation … without which it is impossible to please God… Faith, unless hope and charity be added to it, neither unites one perfectly with Christ, nor makes one a living member of his body.” A conventional reading of the statements of Luther and the Council regards them as expressions of a classic doctrinal disagreement.

How often do protagonists in heated argument fail to hear each other’s claim clearly? Often, it is only after much time has elapsed that those examining great debates over matters of faith are able to take a careful look at the issues that caused division and gain a clearer perspective on what often found expression with the aid of acerbic language.

We owe a debt of gratitude to scholars of both the Roman Catholic Church and the Lutheran World Federation who revisited the arguments employed in what has been called the continental reformation. Much time needs to be spent studying the result of their work that culminated on October 31, 1999, in their signing and issuing the Joint Declaration on Justification by Faith (http://www.cin.org/users/james/files/jddj.htm).

The Declaration does not claim that all the thorny theological problems debated at the time of the reformation have been settled. The very format of the Declaration makes clear that certain issues remain for ongoing dialogue with the goal of achieving full consensus. However, anyone who reads the Declaration closely will notice the extent to which Catholics and Lutherans say they agree on some basic truths concerning the doctrine of justification. Let the Declaration speak:

Together, we confess: By grace alone, in faith in Christ’s saving work and not because of any merit on our part, we are accepted by God and receive the Holy Spirit, who renews our hearts while equipping and calling us to good works…

We confess that persons are justified by faith in the gospel apart from works prescribed by the law… We also confess that God’s commandments retain their validity for the justified and that Christ has by his teaching and example expressed God’s will which is a standard for the conduct of the justified also.

The framers of the Declaration make the amazing claim that their “common way of listening to the word of God in Scripture … led [them] to … new insights” and they conclude that “the remaining differences [around their understanding of the doctrine of justification] are no longer the occasion for doctrinal condemnations.” Since they signed theDeclaration in Augsburg, Germany, many have praised the achievement; others have disputed the claims made in the agreement and still others have retreated from an earlier enthusiastic approval of the agreement itself.

Not so the churches of the World Methodist Council. After careful study of the document, they decided in a meeting in Seoul, Korea, in July 2006, to associate themselves with the affirmations made in the Declaration. The Methodists affirmed “the common understanding of justification as it is outlined in the Joint Declaration on the Doctrine of Justification … corresponds to Methodist doctrine.”


On October 30, some churches, including some Baptists, will mark Reformation Sunday. If we still maintain that observance, have we taken carefully into account the outcome of many years of patient dialogue that yielded the Joint Declaration and considered how to nuance the presentation of the issues of the Reformation in the light of this development? Or do we resolve that, because it was a quest for faithfulness to the Gospel that led to the breakdown of visible church unity, the reformation should still be observed?

© Baptist World Alliance

October 28, 2011

Da wird dein Herz sein

Auszug aus Bibelarbeit von Prof. Kim Strübind/ Oldenburg

zu 5.Mose 30, 6-20

(Hier geht es zum Gesamtdokument)

 

Punkt 4 der Bibelarbeit: „Nahe deinem Herzen“

 

Für ein gelingendes Leben sollen wir bei der Tora „beherzt“ zugreifen, sagt unser Bibelwort. Allein sechsmal appelliert unser Bibelwort an das „Herz“ des Menschen als wäre es die zentrale Schaltstelle für das gelingende Leben. Das Herz ist in der Bibel nicht der Sitz unserer Gefühle, ebenso wenig wie die Tora nur der gefühlte Gotteswille ist. „Gott mit ganzem Herzen zu lieben“ heißt im 5. Buche eben nicht, in mystische Verzückung vor ihm zu geraten. Solche Zudringlichkeiten passen schlecht zu einem Gott, der sich in seiner Jenseitigkeit menschlichen Zugriffen entzieht. Emotionale Klimmzüge sind gewiss nicht verboten, aber sie finden – biblisch gesprochen – nicht im Herzen statt, sondern werden anderen Organen des Menschen zugeschrieben, etwa den Nieren oder der Leber.

 

Das Herz ist dagegen in der Bibel der Ort des Verstandes und des Willens, während die Funktion des Gehirns den Menschen im Alten Testament noch unbekannt war. Das schlagende Herz galt als der Ort, an dem der Mensch Pläne schmiedet und an dem sich sein Wille bildet. Das Herz ist zugleich so etwas wie das innere Parlament des Menschen, in dem widerstreitende Gedanken und Absichten aufeinander treffen und um die Gunst einer Entscheidung ringen. Ein „herzloser Mensch“ ist im Alten Testament also kein gefühlloser Klotz, sondern ein Dummkopf. Einer, der aus Argumenten und Einsichten keine naheliegenden Schlüsse zu ziehen vermag.

 

Gott mit ganzem Herzen zu lieben, heißt daher, ihn mit dem ganzen Verstand zu lieben, und darum auch: Gott immer wieder neu denken zu lernen! Gott will geliebt und das bedacht werden. Der Takt, in dem ein Herz für Gott schlägt, ist also eine eher nüchterne Angelegenheit, und bedeutet nicht, dass die religiöse Batterie immer auch Hochtouren fahren muss. Es sucht die nüchterne Abwägung und die Beschäftigung mit seiner Tora. So sieht schriftgelehrter Glaube aus, und so hat er sich in den theologischen Diskursen des Judentums und in der christlichen Theologie beheimatet. Das Herz macht den Theologen!, sagte der durch die Erweckung geprägte Kirchenhistoriker August Neander im 19. Jahrhundert.

(...)

 

Was evangelische Predigten betrifft, so stoße ich immer häufiger auf eine Flucht in wolkige Metaphern und eine narrative Naivität, die mir Sorge macht. Die Hörerinnen und Hörer sollen wieder einmal irgendwo „abgeholt“ werden und dürfen kognitiv bloß nicht überfordert werden. Mit Ersteren bin einverstanden, Letzteres macht mir Sorge. In der Bibel schlägt das Herz für die Vernunft, nicht für blumige und wolkige Sprachwelten oder undeutliche Redensarten.

 

Unser Bibeltext plädiert für ausnahmslose Klarheit in der religiösen Sache. Und wenn der Glaube eine Sache des Herzens und des Mundes ist, wie es hier steht, dann muss sich das Denken des Glaubens in seinem Reden niederschlagen. Der Glaube des Herzens ist der gedachte Glaube. Der gefühlte Glaube mag dies bedauern. Aber ohne das ernsthafte Denken wird auch eine Predigt steril. Ein bisschen weniger Bauch und dafür mehr kognitive Tiefe und geistige Schärfe – das ist es, was Predigten guttut.

 

Das Stochern in der Küchenpsychologie, wie sich Mose, die Apostel oder die Jünger bei der einen oder anderen Sache wohl gefühlt haben mögen, geht dagegen an den theologisch verdichteten Texten der Bibel vorbei. Eine literarische Figur kann man nicht auf ihre Gefühle befragen, sondern nur auf das, was durch sie zur Sprache kommen und damit zu Herzen gehen soll. Ich wünsche allen Predigenden mehr Mut, ihren Predigthörerinnen und –hörern  die Theologie und die Hintergründe der Bibeltexte zuzutrauen! *** Der Glaube hat sich in der öffentlichen Verantwortung vernünftig und intellektuell redlich zu äußern. Denn Kopf und Herz sind keine Feinde, sondern Verbündete. Und Denken des Glaubens, das Stellen von Fragen und die Inspizierung möglicher Antworten ist ausgesprochen sexy!

 

Ein nachdenkliches Herz, das Adonaj gefällt, lässt sich darum auch „verpflichten“, wie es in V. 11 und V. 16 heißt. Eben weil es auf die Vernunft hin ansprechbar ist. „Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, ist nicht höher als deine Vernunft und nicht weit weg (von dir)“ (V. 11). Biblischer Glaube fürchtet nicht die Vernunft, sondern die Unvernunft, biblisch gesprochen: ein Zu-Wenig des Herzens. Den Glauben zu denken, das ist wahrhaft „beherzter“ Glaube! Herzlos ist es dagegen, Religion nur nachzuplappern, statt ihr nachzudenken. Die Religion, zu der das 5. Buch Mose einlädt, ist kein Opium für das Volk, sondern Adrenalin für das, „was uns unbedingt angeht“ (Paul Tillich) und was darum auch in seiner ganzen Tiefe gedacht und bedacht werden muss.

 

Und darum sollten wir uns als Menschen des Glaubens auch nicht den „neuen Atheismus“, sondern vor der neuen religiösen Gedankenlosigkeit fürchten! Eine Religiosität, die die Vernunft vor den Kirchentüren an den Nagel hängt und sich in eine plüschige Irrationalität flüchtet, hat mit der Herzensreligion unseres Textes nicht viel zu tun. Und die Gemeinde darf auch nicht sprechen: „Der Glaube, das ist mir zu hoch, das ist zu weit weg“. Unser Bibelwort sagt (so heißt es wörtlich), dass er „nicht höher als deine Vernunft ist“, und das heißt auch: er ist nicht in unerreichbaren Himmeln oder am Ende der Welt, jenseits des Meeres. Er ist dir nahe! Und das meint auch: Wovon die Religion spricht, darüber lässt sich reden und vor allem nachdenken. Mag ja sein, dass der eine oder die andere sich dabei gegen die Religion entscheidet. Aber es sollte einem dann wenigstens sehr bewusst sein, warum. Es gibt Vorbehalte gegen Religion und Kirche, die sind einfach auf so herzlose Weise undurchdacht. Wenn schon der Religion den Rücken kehren, dann nicht auf dem Hintergrund von Ressentiments, Vorurteilen oder nur gefühlter Wahrheiten.

 

Denn es geht um das Leben! Der Glaube will, wie es hier heißt, dem Leben dienen. Darum geht es – um nicht mehr und nicht weniger! Glaube ist an seinem „Segen“, also am gelingenden Leben interessiert. „Adonaj ist dein Leben“ (V. 20).Die „Beschneidung des  Herzens“ (V. 6) wird in der Kichentagsübersetzung mit dem „Einsenken des Bundeszeichen in dein Herz“ übersetzt. Die Beschneidung als Zeichen der Zugehörigkeit zum Gottesvolk soll verinnerlicht, der Bund mit Adonaj soll eine Sache der Vernunft und des Willens und damit des ganzen Menschen sein. Sie ist mehr als ein äußerlicher Ritus, sie ist die Aufforderung, sich die Einzigartigkeit Adonajs zu Herzen zu nehmen, sie in all ihren Facetten zu bedenken und dann auch zu leben.


Gottes Wille liegt mit der Tora auf dem Tisch derer, die sie bedenken sollen. Und sie ist andererseits auch nicht nur intellektuelles Spiel. Im Buch des Propheten Micha wird dies auf die bekannte Formel gebracht: Er ist uns Menschen gesagt, was gut ist, und was Gott von uns erwartet: „Nichts anderes, als Recht zu üben, Güte zu lieben und in Einsicht mit deinem Gott zu gehen“ (Mi 6,8). Das Herz, also die religiöse Vernunft, die sich an Adonaj bindet, drängt zur Tat und findet in ihr sein Ziel. Die Tora beschreibt den Willen Gottes in den Kategorien des sozialen Alltags und der Fürsorge für unsere Welt durch eine Selbstverpflichtung: Der Gottesdienst ehrt Gott im Alltag der Welt und ist immer auch Dienst am Nächsten, ist Fürsorge für die Armen, die im 5. Buch Mose einen herausragenden Platz einnimmt.

(Hier geht es zum Gesamtdokument)

Text und Antitext zu Weihnachten

So?

X-MAS 2008
(Autor unbekannt)

Status: Wie Weihnachten 2007 im Internet gezeigt hat, heißt es Weihnachten nicht mehr Weihnachten, sondern X-mas, also muß der Weihnachtsmann auch X-man sein!

Da X-mas 2008 quasi schon vor der Tür steht, ist es spätestens ab März höchste Zeit mit der Weihnachtsvorbereitung zu beginnen - Verzeihung: das diesjährige Weihnachts-Roll-Out zu starten und die Christmas-Mailing-Aktion just in Time vorzubereiten.

Hinweis: Die Kick-off-Veranstaltung *früher 1. Advent* für das diesjährige SANCROS *SANta Claus ROad Show* fand bereits amm 30. November 2008 statt. Auch das offizielle Come-Together des Organizing Committees unter Vorsitz des CIO *Christmas Illumination Officer* wurde bereits abgehalten.

Erstmals haben wir ein Projektstatus-Meeting vorgeschaltet, bei dem eine in Workshops entwickelte *To-Do-Liste* und einheitliche Job Descriptions erstellt wurden. Dadurch sollen klare Verantwortungsbereiche, eine powervolle Performance des Kundenevents und optimierte Geschenk-Allocation geschaffen werden, was wiederum den Service Level erhöht und außerdem hilft, *X-mas* als Brandname global zu implementieren.

Dieses Meeting diente zugleich dazu, mit dem Co-Head Global Christmas Markets *Knecht Ruprecht* die Ablauf-Organisation abzustimmen, die Geschenk-Distribution an die zuständigen Private-Schenking-Centers sicherzustellen und die Zielgruppen klar zu definieren. Erstmals sollen auch sogenannte Geschenk-Units über das Internet angeboten werden.

Die Service-Provider *Engel, Elfen und Rentiere* wurden bereits via Conference Call virtuell informiert und die Core-Competences vergeben. Ein Bündel von Incentives und ein separater Team-Building-Event an geeigneter Location sollen den Motivationslevel erhöhen und gleichzeitig helfen, eine einheitliche Corporate Culture samt Identity zu entwickeln.

Der Vorschlag, jedem Engel einen Coach zur Seite zu stellen, wurde aus Budgetgründen zunächst gecancelt. Stattdessen wurde auf einer zusätzlichen Client Management Conference beschlossen, in einem Testbezirk als Pilotprojekt eine Hotline *0,69 Cent/Minute Legion* für kurzfristige Weihnachtswünsche einzurichten, um den Added Value für die Beschenkten zu erhöhen.

Durch ein ausgeklügeltes Management Information System *MISt* ist auch benchmark-orientiertes Controlling für jedes Private-Schenking-Center möglich. Nachdem ein neues Literatur-Konzept und das Layout-Format von externen Consultants definiert wurde, konnte auch schon das diesjährige Goldene Buch *Golden Book Release 08.1* erstellt werden. Es erscheint als Flyer, ergänzt um ein Leaflet und einen Newsletter für das laufende Updating. Hochauflagige Lowcost-Giveaways dienen zudem als Teaser und flankierende Marketingmaßnahme.

Ferner wurde durch intensives Brain Storming ein Konsens über das Mission Statement gefunden. Es lautet *Let`s keep the candles burning* und ersetzt das bisherige *Frohe Weihnachten*. Santa Claus hatte zwar anfangs Bedenken angesichts des Corporate-Redesigns, akzeptierte aber letztlich den progressiven Consulting-Ansatz und würdigte das Know-how seiner Investor-Relation-Manager. In diesem Sinne noch erfolgreiche X-mas Preparations für das Jahr 2008.

 

  

oder so?

Weihnachten 2008

(Autor bekannt: Pfarrer Dr. Samuel Kobia, Generalsekretär Ökumenischer Rat der Kirchen; Weihnachtsbotschaft 2008; Bilder: ekd.de/advent-ist-im-dezember)

 

"Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit."
(Johannes 1, 14)


"Herrlichkeit" - Gloria - ist ein Wort, ein Ausruf, ein Gesang, um das Staunen der Menschen über die Majestät Gottes zum Ausdruck zu bringen. Als Jesus geboren war, priesen die Engel: "Ehre sei Gott in der Höhe" (Lukas 2, 14), und wir haben im Zeugnis von Christi Leben auf Erden "seine Herrlichkeit" gesehen, "voller Gnade und Wahrheit" (Johannes 1, 14).

 

Wenn wir Weihnachten feiern, sehen wir in der Ankunft Jesu das Zusammentreffen von Himmel und Erde, den Weg, unsere zerbrochenen Beziehungen zu Gott zu heilen, unsere Feindschaft untereinander zu begraben und fester den Entschluss zu fassen, Frieden in der Welt zu stiften. "Denn Gott war in Christus", erklärt der Apostel Paulus, "und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung" (2. Korinther 5, 19).

 

Versöhnung ist eine herrliche Botschaft. Sie enthält die Verheißung, dass Fehler aus der Vergangenheit wiedergutgemacht werden, dass in allen Fällen die Wahrheit aufgedeckt wird, dass Vergebung angestrebt wird und dass selbst alte Feinde wieder in gegenseitigem Respekt zusammenleben können. Es ist eine Botschaft der Gnade und Hoffnung, in der sich die große Gabe der Liebe Gottes in Christus widerspiegelt.


Die Vereinten Nationen haben 2009 zum Internationalen Jahr der Versöhnung erklärt und sie haben Gesellschaften, die von Konflikten gespalten sind, aufgerufen, Versöhnungsprozesse in Gang zu setzen, um für tragfähigen und dauerhaften Frieden zu sorgen. Christliche Kirchen auf der ganzen Welt und der Ökumenische Rat der Kirchen unterstützen solche Bemühungen durch Projekte und Dienste im Einklang mit der ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt: Kirchen für Frieden und Versöhnung (2001-2010).

 

Als Christinnen und Christen verpflichten wir uns dieser großen Sache in der Kraft des Heiligen Geistes. Und wir danken dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus dafür, dass wir überall auf der Welt mit Männern und Frauen guten Willens für Versöhnung zusammenarbeiten dürfen, im Geist der Segensworte der Engel: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens."

 

 

Neuanfang trotz Ungewissheit

Apostelgeschichte 1, 6-8  Neuanfang mit Ungewissheit

Liebe Gemeinde!

1.
Die Geschichte einer Hand voll Schüler, die vor einem Neuanfang stehen. Nein, keine Erstklässler. Sie haben keine weichen Kniee, weil alles ganz neu, spannend und aufregend ist. Sie würden jetzt ins vierte Jahr kommen. Ein anderer Neuanfang liegt vor ihnen.
Was jetzt kommt, das ist wirklich ganz anders als das, was sie in den ersten drei Jahren gelernt haben.
Ein knappes Dutzend Schüler, die gut gelernt haben. Nicht für die Schule oder für den Lehrer. Sie haben wirklich fürs Leben gelernt.

Die Noten, die sie noch vor kurzem von ihrem Lehrer erhalten hatten, waren ganz okay. Durchmischt eben. Wie das bei Jungs so sein kann. Auch bei Mädchen. Aber es war eine reine Jungenklasse. Es nahmen auch Mädchen am Unterricht teil. Die wurden allerdings nicht im Klassenbuch geführt.

Die Noten je nach Herkunft, Charakter, sozialem Umfeld, eigenen „Leistungen“ (wobei der Lehrer dieses Wort nicht all zu sehr mochte), die schwankten bei jedem einzelnen tatsächlich zwischen „sehr gut“ und „ungenügend“.
Der Lehrer hatte ihnen immer gesagt, dass eine 6 oder auch eine 5 kein Grund zum Verzweifeln sei: „Da lässt sich was machen. Hab‘ keine Angst. In meinen Augen bist du ein Einserkandidat!“

Das konnten sie manchmal gar nicht so recht glauben, dass auch die paddeligsten und begriffstutzigsten Schüler bei ihrem Lehrer nicht abgeschrieben wurden.
Irgendwie hatte er es geschafft, ihnen immer wieder Mut zu machen. Weiter zu machen. Die Schule, das Leben, die Lebensschule nicht hinzuschmeißen.
Und jetzt standen sie vor einem neuen Lebensabschnitt, der ihnen nicht nur Unbehagen verschaffte, sondern der sie beim Blick in die Zukunft fast nur eine Farbe sehen ließ: Schwarz. Oder zumindest dunkelgrau mit schwarzen Sprenkeln.

Der Lehrer war weg. Tragische Umstände. Man hatte ihn komplett missverstanden, diskreditiert, gemobbt, fertig gemacht.
Die letzten Wochen waren alles andere als einfach gewesen.
Und dann kam er dramatischerweise auch noch ums Leben.
Trauer in den Seelen der Schüler. Vierte Klasse ohne ihn.
Das geht nicht. Sie hingen viel zu sehr an ihm.

 


2.
Sie waren keine Kinder mehr, diese Schüler. Erwachsene, gestandene Männer und Frauen, die einen Neuanfang vor sich hatten. Es würde anders weiter gehen müssen als bisher.

Liebe Gemeinde, die Jünger Jesu waren drei Jahre lang mit ihrem Lehrer unterwegs gewesen. „Lebensschule“. Jetzt war er gestorben. Weg.


Jetzt war Schluss. Jetzt hieß es wieder: Zurück in den selben alten mehr oder weniger langweiligen Beruf.  Zurück in die selbe alte Lebenssituation, die sie vor ein paar Jahren hinter sich gelassen hatten: Maloche, Leben, Familie, Stress oder Langeweile – auf jeden Fall  würde jetzt wieder alles wie früher sein. Alle Tage Alltag.  Wieder Alltag. Ohne Jesus. Würden sie das schaffen?

Als er noch lebte, hatte er immer gesagt, wo es langgeht. Vielmehr: Er ist einfach gegangen. Und sie sind mitgegangen.
Ihm gefolgt. Nach … gefolgt.

Wo sie ihm nachgefolgt hinkamen, da war was los.
Da waren noch Zeiten. Und Zeichen.
Blinde wurden sehend. Jetzt sahen alle schwarz. Oder dunkelgrau.
Lahme konnte gehen. Jetzt waren alle wie gelähmt.
Tote wurden aufgeweckt.
Jetzt waren selbst die Aufgewecktesten wie tot.


Sie alle hatten den Eindruck gehabt:

„Ja, mit ihm werfen wir einen Blick in das Reich Gottes.
Wenn er bei uns ist, wenn er uns leitet und lehrt, dann geht was!“

Sie hatten helle Farben für die Zukunft gesehen. Osterlicht. Auferstehungshoffnung.
Sie waren dem Auferstandenen begegnet.

Der Evangelist Lukas darüber schreibt in seiner Apostelgeschichte:
„Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen 40 Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes.“


Verständlich, dass sie ihn da fragten, ich  lese Apostelgeschichte 1, 6-8:  „Herr, wirst Du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? Er sprach zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird und ihr werdet meine Zeugen sein in Jersualem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“


3.

Das kenne ich. Da habe ich so viel von Jesus gelernt, so viel von ihm gehört und meinetwegen auch so viele geistliche Erlebnisse gehabt. Nicht nur drei Jahre, sondern 10,20 oder sogar 30, 40 Jahre lang. Dann eine neue, veränderte Situation. Eine neue Herausforderung. Ein neuer Lebensabschnitt. Oder ein Querschlag, der mich aus der innerlichen oder äußerlichen Bahn wirft. Dunkle Gedanken. Trauer. Angst vor dem, was kommen wird. Die dunklen Sprenkel legen sich auf meine innerliche Netzhaut.

Und dann das Gebet, die Frage: „Herr, wirst du in dieser Zeit aufrichten das Reich?“ Nicht so umfassend. Nicht für Israel, aber für mich. Werde ich das jetzt, in dieser Zeit, die vor mir liegt, erleben, dass das mit deinem Reich stimmt? Wirst Du dein Reich wenigstens in meinem kleinen Reich aufrichten? In meinem Leben? In meinen Herausforderungen? Gott, wirst du die Unklarheiten beseitigen?

Ich sehne mich danach, dass es bei mir rund läuft. Dass ich, jetzt wo mein Alltag z.B. nach den Sommerwochen wieder neu  anfängt, mit den Herausforderungen meines Lebens gut klar komme.
So ein bisschen Urlaub, Sonne, Reich Gottes mitten im Alltag.
„Und er ließ sich sehen unter ihnen 40 Tage lang…“
Jesus, es müssen ja gar nicht 40 Tage sein, aber lass‘ dich bitte sehen in dieser oder jenen Situation. In dieser oder jener Herausforderung. Lass‘ mich dein Reich erleben. In dieser, in meiner Zeit!“

Liebe Gemeinde! Die Antwort, die Jesus damals seinen Jüngern gegeben hat, die klingt auch heute noch in unseren Ohren, wenn wir in unserem Leben konkrete Zeichen des Reiches Gottes erleben möchten: „Es steht euch nicht zu, Zeit und Stunde, zu wissen.
Aber ….aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird und ihr werdet meine Zeugen sein in Jersualem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“
Das hatte er ihnen schon gleich nach der Auferstehung gesagt, bevor er sich noch einmal 40 Tage lang hat sehen lassen: „Mensch, geht hin in diese Welt, macht zu Jüngern alle Völker. Ich bin bei euch.“

Das Besondere an dem Auferstandenen ist, dass er auch seine Leute auferstehen lässt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er fordert sie auf, aufzustehen!
Geht hin! Seht nicht länger aufs Schwarze. Ich bin doch bei euch!

Kommt, bewegt euch, lasst euch weder in euren geistlichen noch in euren charakterlichen Hängematten hängen. Es ist nicht vorbei. Nur: es läuft jetzt anders an als in Klasse 1 bis 3. Ihr seid jetzt größer, selbständiger geworden. Ihr wisst schon, wie es geht.
Es läuft nur, wenn ihr lauft. Wenn ihr euch bewegt. Ihr seid dabei doch nicht alleine: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen!“
Ich bin euch drei Jahre lang vorausgegangen. Ich habe euch gezeigt, wie es geht. Der Heilige Geist wird euch daran erinnern.
Dazu ist er da. Und er wird euch trösten, wenn ihr nur schwarz seht oder empfindet. Dazu ist er da.
Aber der Heilige Geist, ich in euch, ich werde euch kein geistliches Wattekisschen nachtragen oder ein Wunder nach dem anderen für euch tun.
Das wäre nicht Reich Gottes.

Reich Gottes ist zunächst einmal dort, wo ihr als meine Leute hingeht. Wo ihr Schritte auf andere zugeht. Wo ihr euch bewegt und euch nicht lähmen lasst von den Aussichten.
Dort, wo ihr seid und wo ihr nach euren Möglichkeiten durch Wort und Tat  für andere Menschen da seid.
Reich Gottes ist dort, wo ihr den Schalter umlegt und betet „Dein Reich komme, dein Wille geschehe.“ Reich Gottes ist dort, wo ihr willentlich den Schalter umlegt und sagt: Ich will mich weder von den grauen Farben noch von den schwarzen Sprenkeln bestimmen lassen – sondern von deiner schlicht klingenden Aussage: Ich bin bei euch!

Vielleicht sagt ihr: Ich kann das doch nicht. Ich weiß doch selber nicht, wie ich diese oder jene Situation anpacken soll. Auf meinem Lebens- oder Christenzeugnis stehen etliche Fünfen und Sechsen. Ganz zu schweigen vom Arbeits- oder Sozialverhalten. Ich kann es einfach nicht besser.
„Da lässt sich was machen. Hab‘ keine Angst. In meinen Augen bist du ein Einserkandidat!“

Liebe Gemeinde!
Die Lebens-Schule in der Nachfolge Jesu, die wird erst beendet sein, wenn das Reich Gottes für uns alle sichtbar und erlebbar ist, wie Johannes es beschreibt: „Gott wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott wird mit ihnen sein und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und es wird kein Tod, kein Leid, kein Schmerz mehr sein.“

Das wird am „Ende der Zeit“ sein. Wann, das wissen wir nicht. Aber wir haben da eine Zusage. Eine tröstliche, eine hilfreiche, eine, die mehr zusagt als alle anderen Worte es könnten:
„Ich bin bei euch, alle Tage, bis ans Ende der Zeit!“

Wenn wir jetzt wieder in unseren Alltag gehen, wenn vielleicht Ungewisses und Herausforderungen auf uns warten, dann lasst uns doch einmal – wenn wir das wollen und solange wir daran denken –

a)

jeden neuen Tag, vielleicht noch morgens im Bett, wenn der Wecker gerade genervt hat, mit einem kurzen Gebet beginnen:
„Danke, Gott, dass Du auch heute bei mir bist. Dein Reich komme, dein Wille geschehe.“


b)

Wo wir konkrete Hilfe für Situationen in unserem Leben brauchen, da lasst uns auf andere Menschen, auch auf Christen hier aus der Gemeinde, zugehen. „Kannst du mir Nachhilfe geben? Ich möchte von meiner 6 oder 5 runterkommen. Ich komme mit dieser oder jener Situation nicht klar.“


c)

Lasst uns auf-erstehen, hingehen zu anderen und uns selbst fragen:
„Wie kann ich in Wort und Tat für den anderen Zeichen des kommenden Reiches Gottes aufrichten?“

 

 


4. Zum Schluss:

 

Wir feiern heute Abendmahl. Das ist das Zeichen, das Jesus uns für unseren Alltag, für unser ganz normales Christenleben gegeben hat.
Wir erinnern uns an das, was Jesus getan hat – da werden die „Noten“ neu geschrieben, da wird alles vergeben und vergessen, was nicht dem Willen Gottes entspricht.
Brot und Wein sind die Zeichen, die Jesus uns sozusagen als Wegmarkierungen durch unser Leben gibt: Neuanfang ist möglich.
Da fängt Jesus mit uns neu an.
Damit auch wir selbst neu anfangen können.

Im 1.Korintherbrief ist zu lesen, dass das Abendmahl sozusagen eine „schmackhafte Botschaft“ ist: „Damit verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt!“

Er wird sichtbar wiederkommen.
Wann, das wissen wir nicht.
Wir sind auf dem Weg.

Das Gute dabei ist:
Wir brauchen dabei nicht grau oder noch dunkler zu sehen,
denn Jesus spricht:

„Ich bin doch schon bei euch.
Alle Tage.“


Amen

 

 

Hoffen mit weitem Horizont

Evangelischer Gottesdienst im Deutschlandfunk
am 28. Dezember 2008 aus der Kreuzkirche der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Oldenburg
von Pastor Joachim Gnep  (Quelle: www.tv-ev.de)

 

Die Festtage, die Familienfeiern, die Zeit zwischen den Jahren - wie oft habe ich das alles nun schon erlebt? Und jedes Mal wird es spannender!

Liebe Gemeinde,
kaum vorstellbar, aber so denkt ausgerechnet ein alter Mann!
Schon so viele Jahre hat er nun durchlebt. Gute und schwere. Aber er ist nicht müde geworden. Im Gegenteil:
Das Beste kommt ja erst noch!
- sagt er. Die Freunde und Verwandten schmunzeln über ihn. Manche sind aber auch schon etwas genervt:
Vergiss es, Du hast nun schon so lange vergeblich gehofft! Auf deine alten Tage immer noch Flausen im Kopf. Schön wäre es ja, aber siehst du denn auch nur ein einziges Anzeichen, irgendeinen Hoffnungsschimmer? Alter Träumer! Nun finde dich doch endlich damit ab: Es ist, wie es ist.

Nein, genau das will er nicht: sich abfinden. Schlimm genug, dass selbst junge Leute das tun!

Simeon, so heißt der alte Mann, ist sich ganz sicher:
Ich werde es noch erleben! Ich werde nicht sterben, bevor ich ihn gesehen habe: den, der uns alle rettet! Ich weiß es.
Eines Tages geschieht es. Simeon hat es wieder einmal in den Tempel gezogen. Er spürt, dass diesmal irgendetwas anders ist.
Ein Elternpaar mit einem Säugling ist gekommen. Die üblichen religiösen Rituale stehen an.

Nichts Besonderes eigentlich. Simeon beobachtet die drei trotzdem genau.

Reich sind die Eltern nicht - das sieht er sofort. Es reicht bei ihrer Opfergabe nur für die Armenvariante: statt eines Schafes zwei Turteltauben.

Woher? Ach, aus Nazareth, so so ... Jaja, ein weiter Weg nach Jerusalem. Simeon ist irgendwie enttäuscht. Nazareth - dieses Kaff passt so gar nicht zu seiner inneren Ahnung.

Der erstgeborene Sohn, der da in eine Decke eingehüllt ist, soll nun Gott geweiht werden. So ist es Brauch.
Darf ich mal sehen?
Ja, natürlich darf er! Stolz enthüllt die Mutter das Gesicht des Säuglings. Zunächst bemerkt sie gar nicht, dass der alte Mann plötzlich wie erstarrt ist. Die hochgezogenen Augenbrauen lassen seine Augen noch größer wirken.

Er streckt seine Arme aus, und Maria versteht. Sie reicht sie ihm ihren Sohn Jesus.
Simeons Gesichtszüge entspannen sich. Seine strahlenden Augen saugen förmlich auf, was er da sieht.

Was nun geschieht, schildert Lukas in seinem Evangelium so - Kapitel 2, die Verse 28-32:

Textlesung Lukas 2,28-32
Simeon nahm das Kind auf die Arme, pries Gott und sagte: »Herr, nun kann ich in Frieden sterben, denn du hast dein Versprechen eingelöst! Mit eigenen Augen habe ich es gesehen: Du hast dein rettendes Werk begonnen, und alle Welt wird es erfahren. Allen Völkern sendest du das Licht, und dein Volk Israel bringst du zu Ehren.«


Liebe Gemeinde,

was hat Simeon eigentlich gesehen, dass er so voller Begeisterung ins Schwärmen kommt und Gott lobt?
Was er da in den Armen hält und was da vielleicht gerade an seinen Barthaaren zupft, das ist ein ganz normaler Säugling. Weiter nichts!
Aber Simeon sieht mehr. Viel mehr: den Messias sieht er, den Retter der Welt, das Licht für die Völker! Es ist der Geist Gottes, der ihn so sehen lässt, betont der Evangelist Lukas.

Simeon sieht in einem unscheinbaren Säugling alle seine Erwartungen und Hoffnungen erfüllt. Für ihn schließt sich in dieser Begegnung mit Jesus der Kreis seines Lebens: Gott hat Wort gehalten! Die vielen Jahre des Wartens auf den Messias, die vielen Enttäuschungen, auch die Momente des Zweifels: sie bekommen in dieser Begegnung ihren tiefen Sinn.

Jetzt kann ich in Frieden sterben! sagt Simeon. Und das, obwohl sich rein äußerlich noch nichts, aber rein gar nichts geändert hat. Das Land Israel ist noch immer von feindlichen Truppen besetzt. Auch in den nächsten 10, 20, 30 Jahren wird niemand Notiz nehmen von diesem Kind, diesem Jesus aus Nazareth.

Was Simeon alles in dem Säugling sieht, wird er selbst nicht mehr erleben. Auch nicht, was die dunklen Ahnungen bedeuten, die sich in seine Freude mischen: Er sagt der Mutter einen Schmerz um ihren Sohn voraus, der ihr mitten durch das Herz gehen wird.

Nein, was Simeon vorzuweisen hat, ist wirklich nichts Weltbewegendes - so muss es scheinen. Er hat nur das Kind, und Gottes Wort. Dass Jesus wirklich der ist, durch den Licht in das Dunkel der Welt kommt, darauf kann er nur vertrauen - gegen jeden Augenschein.
Damit fühle ich mich dem alten Simeon sehr nahe. Sie auch?
Gerade erst haben wir ja mit vielen anderen das Jesuskind als Retter der Welt besungen. Vielleicht auch mit so einer Ahnung tief drinnen: Ja, er ist es wirklich! Und trotzdem bleibt die Frage:  Was ist eigentlich davon zu sehen? Auch heute.

Jahr um Jahr vergeht - auch dieses Jahr ist fast vorbei. Wird es im kommenden Jahr nicht wie immer sein?

Vielleicht fragen Sie sich auch: Soll ich wirklich weiter hoffen? Weiter auf so einen Augen-Blick, auf so einen Licht-Blick warten, wie Simeon ihn erlebt hat? Was denn sonst! würde Simeon vielleicht zu uns sagen.

Wenn du tief in dir diese Ahnung hast, dass Gott eingreifen wird, dann nimm das ernst! Ich habe darauf vertraut, dass Gott Wort hält. Gut: mal mehr, mal weniger. Aber ich bin dran geblieben. Von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr. Als ich jung war und erst recht, als ich älter wurde: es hat mich nicht losgelassen. Also, wenn ich dir was sagen darf, dann: Bleib dran! Die Luft liegt voller Verheißungen!

Der alte Simeon, er tut mir gut. Er bestärkt mich darin, gelassen und erwartungsvoll nach vorne zu blicken. Auch ins neue Jahr.
Sicher, der Evangelist Lukas erzählt die Geschichte von Simeon vor allem mit einem theologischen Interesse: Er will zeigen, dass die heilvolle Geschichte Gottes mit den Menschen schon lange vor Jesus begann. Der rettende Messias, den Simeon so lange erwartet hat und nun mit eigenen Augen sieht, ist Jude. Propheten hatten seine Geburt angekündigt. Er ist eingebunden in die jüdische Tradition. Dass Simeon ihm ausgerechnet im Tempel von Jerusalem begegnet und ihn erkennt, ist nicht zufällig so. Dort, im Zentrum des jüdischen Glaubens, wird der neue Weg Gottes mit seinem Volk und der Welt bezeugt.

Aber ich glaube, Lukas will seinen Lesern mehr vor Augen malen als diese für ihn wichtigen Zusammenhänge.

Ich verstehe ihn so, dass er uns darüber hinaus auch sagen möchte: Ja, die Geschichte von Simeon ist einzigartig. Aber gleichzeitig spiegelt diese Geschichte ein Geschehen wider, dass sich bis heute fortsetzen kann.
Schon morgen kann bei uns ähnliches geschehen - auch im "Kleinklein" unseres Alltags! Etwas, was unser ganzes bisheriges Leben und Hoffen in ein anderes Licht stellt. So, dass wir spüren: Es war nicht vergeblich!
Vielleicht ist es ein unscheinbares Bibelwort, das uns ganz überraschend berührt und ermutigt.

Vielleicht ist es ein sehr intensives Erlebnis in der Natur, die uns Gott ganz nahe sein lässt und mit neuem Mut durchströmt.
Vielleicht ist es eine Begegnung mit einem Menschen, die uns Zuversicht gibt und aufblicken lässt. So, dass wir wieder hoffen können und eine Perspektive haben.

Das ist auch in leidvollen Situationen und persönlichen Krisen möglich. Wenn das, was vor Augen ist, nicht viel erwarten und hoffen lässt: eine Krankheit, eine Beziehungskrise, der Verlust des Arbeitsplatzes.
Jesus kann für jeden Menschen zu dem Licht werden, von dem der alte Simeon spricht. Unscheinbar - ja! Verwechselbar - ja! Aber so, dass Menschen spüren: Gott ist da! Ich kann aufatmen und neue Hoffnung gewinnen.

Simeon sieht als einer der ersten etwas, was erst Jahrzehnte später zur Realität wird.
Menschen werden dem erwachsenen Jesus begegnen und die Freudennachricht von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes hören. Jesus wird ihnen begegnen als einer, der befreit und heil macht. Als Retter der Welt, der sein Leben mit uns Menschen teilt und es für uns hingibt.
Manchmal schließt sich der Kreis unserer gottgeschenkten Hoffnungen erst, wenn wir schon nicht mehr da sind. Ich denke z.B. an Martin Luther King und seinen Traum. In seiner weltbekannten und berührenden Rede sagte er damals unter anderem: Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird.

Und nun soll im Januar ein Schwarzer ins Weiße Haus ziehen. Rund vierzig Jahre liegen dazwischen - was für ein Spannungsbogen!
Es gibt bis heute solche Momente, da kommt alles zusammen, und wir spüren:

Ich habe nicht umsonst gehofft! Wie gut, dass ich die Sehnsucht in mir ernst genommen habe. Wie gut, dass ich nicht aufgehört habe, von Gott etwas zu erwarten! Und nun darf ich erleben, wie der Kreis sich schließt.
Was erwartet uns im Neuen Jahr? Die Kanzlerin sagt: Es wird eines mit vielen schlechten Nachrichten werden. Für diese Aussage braucht man sicher keine prophetische Begabung wie Simeon.

Was uns erwartet, hängt aber auch davon ab, was wir von Gott erwarten! Die Geschichte von Simeon, sie macht Mut zum Hoffen mit weiter Perspektive. Denn bei Gott ist nichts unmöglich! -so lautet übrigens die Jahreslosung für 2009.

Ich lade Sie ein, darauf zu vertrauen! Sich nicht entmutigen zu lassen - weder durch den eigenen Alltag noch durch schlechte Nachrichten.
Sie und ich, wir können festhalten an dem Vertrauen, das Gott in uns hineingelegt hat. Uns öffnen für die besonderen Augenblicke und Lichtblicke, die Gott schenkt. Vielleicht ganz unscheinbar wie bei Simeon, aber doch prall gefüllt mit Sinn und Freude.

Der alte Simeon konnte durch eine Begegnung mit dem noch kleinen Jesus in Frieden gehen. Für ihn hieß das: sterben. In Frieden gehen, das kann man auch, wenn das Sterben noch gar nicht dran ist. In Frieden gehen, Schritte wagen, mutig und gleichzeitig gelassen voran gehen - das können Alte und Junge und alle dazwischen.

Denn nichts muss bleiben, wie es ist. Jesus, das Licht der Völker ist da. Er ist für uns und mit uns. Das hat er versprochen. Amen.

 

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Predigtpreis 2008

„Bonn – In der Schloßkirche (Universitätskirche) ist am Mittwoch (19. November 2008) der ökumenische Predigtpreis 2008 der Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG verliehen worden. In der Kategorie „Beste Predigt“ ging der Preis an Michael Putzke (43). Der Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in Kassel wurde für eine Predigt über das von der Künstlerin Sanja Ivekovic gestaltete Mohnfeld im Rahmen der Documenta 12 im Jahre 2007 in Kassel ausgezeichnet. Mit dem im Jahr 2000 erstmals vergebenen Predigtpreis will der Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG die Redekunst in den Kirchen fördern. Bewerben können sich haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Kirchen, Freikirchen und Landeskirchlichen Gemeinschaften.“

Aus einer Pressemitteilung von Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG. Der Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG ist ein Fachverlag für publizistische Beratung für Geschäftskunden und Privatkunden. Er gibt über 260 Produkte wie Informationsdienste, Newsletter und Loseblattwerke mit einer breiten Themenpalette heraus. Der Verlag erwirtschaftete 2007 einen Umsatz von 103,0 Mio. Euro und beschäftigt 276 Mitarbeiter am Stammsitz in Bonn.)

 

 

 

Liebe Gemeinde,

ich bin am Mittwochnachmittag nochmals da gewesen, auf dem Friedrichsplatz. Ich stand vor dem Fridericianum im verblühten Mohnfeld. Die Menschen saßen auf den Stufen und genossen nochmals die Sonne, die die Kälte vom Morgen verscheucht hatte. Und in diesem Moment war mir klar, darüber will ich reden. Heute rede ich von der Documenta bzw. von diesem Mohnfeld, das die Künstlerin Sanja Ivekovic geschaffen hat, und von seinerGeschichte in diesem Sommer.


Ich möchte den vielen Deutungen dieses Kunstwerkes noch eine hinzufügen, nämlich eine fromme. Ich deute dieses Mohnfeld hin auf das Reich Gottes, eine Deutung aus dem Glauben. Also ich bitte um euer Gehör, wie auch immer ihr zur Documenta steht. Wenn ihr Vorbehalte gegen die Documenta habt, dann legt sie einen Moment zur Seite. Das Mohnfeld hat eine Geschichte durchlaufen, die man in mehrere Phasen einteilen kann.

 

Die erste nenne ich: Vergeblichkeit. Ich erinnere mich noch an den Anfang. Im April stand es plötzlich in der Zeitung: Auf dem Friedrichsplatz sollte ein Mohnfeld entstehen. Der Platz wurde umgegraben, gewalzt und dann wurde gesät. Im Grunde genommen begann jetzt schon die Documenta einen Monat vor der Eröffnung.Es wurde ausgesät, aber was erstmal wuchs und gedieh, waren die Tauben.Die haben sich offensichtlich gefreut.

Wir sahen erstmal nichts.Um den Mohnsamen überhaupt eine Chance zu geben, wurden Studierende angestellt, die den Platz bewachen sollten. Wie soll ein Student oder eine Studentin verhindern, dass die Tauben sich niederlassen und die Mohnsamen aufpicken? Ich stelle mir vor, wie das wäre, wenn ich auf diesem Platz stünde und es ist meine Aufgabe, dem Mohn die Chance zum Austreiben zu geben: Mir gelingt es, an einer Stelle die Tauben zu vertreiben, die fliegen gerade mal 50 Meter weiter und lassen sich dort nieder und futtern dort weiter. Ich eile dorthin, und vertreibe sie dort und wieder zurück, dorthin wo die Tauben jetzt sind.

Eine Mischung aus Hase und Igel und Sisyphus. Es ist vergeblich und lohnt sich nicht. Die Artikel in der HNA1 hatten in dieser Zeit immer so einen Unterton von Süffisanz und Mitleid. Ob sich das lohnt, wie soll ein Mensch das schaffen? Die Tauben sind doch nicht zu vertreiben.


 

 

Die HNA(Tageszeitung in Kassel) berichtete: Am effektivsten sei eine Studentin gewesen- die hat ihren Hund mitgebracht, der mit ihr über den Platz hetzte.

Als ich den Friedrichsplatz mit allen den Tauben sah, dachte ich an das Gleichnis vom vierfältigen Ackerfeld.

Siehe, es ging ein Sämann aus zu säen.Und es begab sich, indem er säte, dass einiges auf den Weg fiel; da kamen die Vögel und fraßen's auf.

Und ich dachte für mich: Sieh an, es steht schon in der Bibel! Die Frage, die sich hier aufdrängt: Lohnt sich das eigentlich? Lohnt es sich, ein Mohnfeld auszusäen, wenn doch das meiste offensichtlich weggepickt wird und die Zuschauer sich eher amüsieren über diese Idee, abwinken und weitergehen? Mir kam eine Auslegung des Gleichnisses vom Sämann in den Sinn, die Manfred Fischer2 schrieb – über unsere Versuche, es dem Sämann gleichzutun:


Es ging ein Sämann aus zu säen: Ich selbst. Voller Pläne, voller Hoffnung ging ich aus, Menschen zu begeistern, in Bewegung zu bringen – zu gewinnen für ein aufmerksames Leben im Bann der Gottesherrschaft. (…) Und indem ich säte,fiel etliches auf harten Boden, auf eingefahrene Wege und Straßen. Und etliches fiel in die Urlaubszeit, in Reisepläne der Menschen, in ihre Gartenfeste und Geburtstagsfeiern. Es ging einfach unter.

 

Eine Frage, die uns umtreibt: Wie kann ich vom Glauben und Wirklichkeit Gottes reden, und wer hört mir zu und glaubt mir?Es geht um die Frage: Lohnt sich das?

Diesen Gedanken wurde ich gerade im Blick auf das Mohnfeld nicht los. Die Documenta wurde eröffnet – das Mohnfeld lag brach. Es war nichts zu sehen.


Im Juni hieß es in der Zeitung, es würde wohl noch einen Monat dauern, bis der Mohn blüht. Ich weiß nicht genau, ob die Menschen das damals ernst nehmen konnten. Der Turm des Künstlers Ai Weiwei war nach vier Tagen Documenta umgefallen, das Reisfeld am Schloss Wilhelmshöhe fast abgerutscht und das Mohnfeld sah eher aus wie ein verkrauteter Fabrikhof in einer Industriebrache. Warum sollte hier der Mohn blühen?
Es war eigentlich kaum zu glauben!

 


II.
Und dann kann das Neue, was diese Vergeblichkeit vergessen ließ. Das Neue war klein und schön. Was war das für ein Staunen, das die erste Mohnblüte hervorbrachte!? Die erste Mohnblume war auf der Titelseite der HNA. Wahrscheinlich was das die meist fotografierte Blume im Frühsommer. Sogar in überregionalen Zeitungen wurde diese Blume gefeiert. Mich hat fasziniert, dass eine kleine eigentlich belanglose Blume so eine Begeisterung auslösen konnte!

Aber die Menschen kamen und suchten nach dieser Blüte und schauten nach, ob vielleicht noch mehr Blüten auftauchen. Neben all den Ausrufen der Vergeblichkeit - Was soll das bloß? Das lohnt sich nicht! - gab es offensichtlich Menschen, die haben darauf gewartet.Ich glaube mit dem Reich Gottes ist es ähnlich. Es ist nicht gleich das ganz große Blumenfeld.

Es ist eine Begegnung zwischen Menschen, Begegnung mit Gott; das Erlebnis von Vergebung, Erfahrung von Trost. Das Erleben, dass Gott eine neue Perspektive eröffnet. Manfred Fischer bringt das in seiner Auslegung schön zu Sprache:
Etliches fiel (vom Samen) in die Angst
und Verzweiflung von Menschen,
in Enttäuschung und Resignation,
in die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit.
Und es trug Frucht. Es begann zu leben und zu pulsieren
mit einer neuen, ganz wunderbaren Kraft.
Und verstellte Horizonte öffneten sich.

 


III. Liebe Gemeinde,

was ist aus dem Mohnfeld im Laufe des Sommers geworden? Es wurde immer besser:
Ich fasse es mit den Stichworten Fülle und Vielfalt zusammen. Als wir Anfang August aus dem Urlaub zurückkamen und uns durch den Stapel Zeitungen blätterten, der sich bei uns angehäuft hatte, fiel mir eine Nummer gleich auf: Als Aufmacher der HNA: Das Mohnfeld in voller Blüte. Selbst die HNA war begeistert: Ein Meer von roten Blüten und die Menschen stehen davor und leben geradezu auf. Sie fotografieren um etwas davon bewahren zu können, um diese Fülle abzubilden. Dabei finde ich es bezeichnend, dass Mohn gepflanzt worden ist. Mohnblumen kann man nicht pflücken. Ich habe das vor Jahren mal versucht – nur wenige Minuten und die Pracht war dahin. Das Mohnfeld konnte man nur fotografieren - pflücken und mitnehmen kann man es nicht.

So lässt sich das Reich Gottes auch nicht privat halten und domestizieren. Ich kann es nicht für mich behalten und für mich persönlich in die Vase stellen. Es hat seinen Ort woanders:
Esereignet sich dort zwischen Menschen, die sich auf Gott einlassen. Es erscheint dort, wo es Gott gefällt. Am Anfang ist es einfach unscheinbar. Es macht offensichtlich keinen Sinn darauf zu setzen, sich dafür zu begeistern. Und viele denken: Also lasse ich es gleich sein. Wenn sich etwas nicht gleich auszahlt, dann mache ich es nicht. Die Kuratorin der Documenta, Ruth Noack, hat darauf hingewiesen, dass die Massenmedien mit langsamen

Ereignissen (wie auch Kunst!) nichts anfangen können.

Es muss gleich was los sein. Medien brauchen eine Sensation. Das färbt auf Menschen ab, viele wollen gleich sehen, gleich erleben, aber manches braucht Zeit. Das Reich Gottes auch.Wie heißt es noch vom Sämann und der selbstwachsenden Saat in der neutestamentlichen Lesung:


Mit dem Reich Gottes ist es so,wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie.

Die Pflanze braucht Zeit zum Wachsen. Und der Sämann kann nur darauf achten, dass die Voraussetzungen stimmen: Er muss aussäen, die Pflanze braucht Wasser und Sonne – und Zeit. Für den Glauben brauche ich auch Zeit. Im Glauben lasse mich auf einen neuen Rhythmus des Lebens ein. Viele Glaubenserfahrungen entstehen erst, wenn ich mich darauf einlasse. Viele biblische Geschichten verstehe ich nicht gleich, ich lese sie und nehme sie in mich auf und sogleich passiert nichts. Aber irgendwann später - ganz unvermittelt sprechen die Texte und reißen Horizonte auf. Wie oft betet man und wartet auf Antwort? Gebet kann Arbeit sein, auch langweilig, aber in einer bestimmten Situation, da blüht das Gebet in mir auf. Da zeigt es mir einen ganz neuen Blick auf mein Leben. Das gilt auch für Gottesdienste. Wenn man zum Gottesdienst kommt und gleich das große Ereignis erwartet, wird man eher enttäuscht werden.

Die Predigt, die mich trifft und durchschüttelt, die Zeit der Gemeinschaft, die hochaktuell ist. Glauben braucht einen langen Atmen, braucht Regelmäßigkeit, dann kann etwas wachsen und dann werden. Und dann wächst die Saat auf, und bringt Frucht. Zum Schluss bleibt noch ein Stichwort Vielfalt.

Das Mohnfeld brachte Vielfalt hervor. Im August machte die Nachricht die Runde, dass ein Biologe aus dem Knüllwald im Mohnfeld Pflanzenarten feststellte, die sonst sehr selten sind: z.B. die sog. „Kleine Wolfsmilch“.

Der Biologe berichtet: „Es war eigentlich Zufall. Ich hatte einen Termin im Naturkundemuseum, der sich verschoben hat und da dachte ich, „Ach, gehe ich halt spazieren und schaue mir das Mohnfeld noch einmal an.“ Und wie ich da so rumspaziere, ist mir sogleich eine Pflanze aufgefallen, die bei uns in Deutschland extrem selten geworden ist, hier aber geradezu massenhaft vorkommt: die kleine Wolfsmilch.“ Darüber hinaus fand der Biologe über 70 weitere Arten auf dem Mohnfeld. Was für eine Vielfalt! Wie sind die Samen dort hingekommen? Eine These: Boden wurde umgegraben und dabei wurden im Boden liegende Samen an die Oberfläche gebracht.

Für mich ist das wie das Reich Gottes – es ist keine Monokultur, sondern eine Vielfalt entsteht. Ich streue etwas aus, und das Reich Gottes bringt Vielfalt hervor.Heute, in diesen Tagen ist der Mohn fast ganz abgeblüht. Einige andere Pflanzen blühen noch. Der Mohn aber hat seine Fruchtkapseln ausgebildet. Vielleicht ist das Bild nicht mehr so ästhetisch wie im Sommer, aber immer noch sprechend. Was würde passieren, wenn dieser Mohn ausgesät würde … all die Mohnsamen in den Fruchtkapseln: Wie groß wäre das Feld, das dann wachsen würde? – Einfach riesig! Damit bin ich wieder am Anfang:

Was wäre, wenn wir das ausbringen, was Gott in uns hat wachsen lassen? Manches sagt uns, das lohnt sich nicht! Gott sagt, ich sende meinen Sämann aus und der sät: Und an uns ist es, mitzugehen. Auch wenn man nicht gleich die großen Ergebnisse sieht. Das Reich Gottes, das der Sämann Jesus ausstreut, braucht seine Zeit, braucht Menschen, die darauf setzen und warten können. Sie werden ein Teil davon sein, wie von diesem Mohnfeld, voller Schönheit, in großer Vielfalt, voller Frucht.                 Amen.