Mixed-Camp in Loissin: DA GEHT NOCH WAS

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Die Zufahrt zum Campingplatz: Es ist kurz nach 20.00 Uhr, ...

 

die Sonne ist gerade untergegangen, ich fahre durch eine dieser wunderschönen Ostsee-Alleen… Links der farbige Himmel, und rechts knapp über der Baumreihe steht tatsächlich ein Kite am Himmel, mir hüpft das Herz! 

GlücksMOMENT- so wie wir es später in einer der Morgenrunden erfahren: ein Moment, eine Kleinigkeit, die mich dennoch zum Bersten füllt und mich am Ende einer langen, gestauten Autofahrt lächeln lässt.

Endlich. Mutti hat Vatti, die ganze Bande und das Klein-Klein des Alltags hinter sich gelassen. Ich stelle mich meiner Löffelliste (du weißt schon, die Liste, die jeder vor seinem Tod abgearbeitet haben will), auf der ganz oben „KITESURFEN!“ steht.

Und dann komme ich an, im Paradies, dachte ich. Nette Menschen, alles organisiert, Vollverpflegung und optimaler Wind im stehtiefen Revier. Okay, okay, ich gebe zu, da war mein Erwartungshorizont ein wenig hoch…Bei Manchem prallen zu Beginn des Urlaubs Welten aufeinander, auch bei mir. Hier das „normale“ Leben mit geregelten Zeiten, Zielen, Notwendigkeiten und Problemen. Der eine kommt aus dem Krieg, einer aus einem Konfirmationsmarathon, der nächste aus dem Unterricht, ein anderer direkt vom Bildschirmmarathon, der andere vom Herd der Großfamilie oder jemand aus der emotionalen Arktis eines unterkühlten Zuhauses.

Hier nun ein Natursport und nur ein einziges Ziel: aufs Brett kommen und fahren, fahren, fahren, springen… und plötzlich wenig bis gar kein Wind und auf dem Platz eine erprobte Männerwirtschaft. Außerdem: wir kennen uns nicht...Das klingt nach Spaß, oder? Du wirst es nicht glauben, aber den hatten wir, oder zumindest ich hatte ihn.

Als ich zurück nach Hause komme, habe ich wiederum ähnliche Anpassungsschwierigkeiten. Mir kommt mein Leben plötzlich so unnatürlich und langweilig vor. Den Effekt hatte ich das letzte Mal vor 20 Jahren nach wochenlangem Wandern... plötzlich frage ich, warum wir nicht draußen sitzen beim Essen – es regnet ja noch nicht einmal.... Häh?? fragt das Gegenüber, es hat doch nur 13 Grad, und Du willst draußen essen?!

Ja, es war manchmal kalt, als wir in Loisssin waren. Die Männer der beiden Camps davor werden jetzt laut lachen, die hatten nämlich Rauhreif auf dem Zelt... Respekt, Leute!

Die windstillen Tage füllten wir mit Beachvolleyball, Fahrradtour, Besichtigung des AKW-Geländes, Fischbrötchen, Gammeln, Spazieren gehen und Gesprächen.

Die waren besonders, die Gespräche. Angeregt und aufgefangen wurden sie durch Eriks und Ralfs Impulse und deren Moderation in den Morgen- und Abendrunden. Wir hatten, obwohl wir uns nicht kannten, von Anfang an einen Tiefgang, der noch nachklingt. Das tat gut, die Impulse zu Themen, die wir vorher selbst setzen konnten. Interessantes bis Kurioses, wie Informationen über ein Sargbauwochenende, wechselten sich ab mit Bibellese, Gebet und Gitarre. Jeder durfte sein, mit Frust oder ohne, durfte offen und ehrlich sein. Mir wurde zugehört, ich bekam Verständnis und Gegenwind, die Voraussetzungen, um den eigenen Kurs zu korrigieren. Das hält an.

Dafür möchte ich mich bei allen, die dabei waren, bedanken! Es ist die Mischung, und der Mut des Einzelnen, sich einzubringen und authentisch zu sein, die so eine gemeinsame Zeit gelingen lassen. Das ließ mich bereichert nach Hause fahren.

Na und gutes Essen! Das war auch spitze. Beeindruckt hat mich die Zeltküche, die es an nix fehlen ließ. Nachtisch beim Zelten... hatten die Männercamps das auch? Also lecker war`s!

Und Erfolge auf dem Wasser hatte ich trotz des widrigen Wetters. Großes Kompliment an boardway und an Hauke. Hauke, du bist geduldig und vermittelst mit deiner Ruhe viel Sicherheit. Besonders gut konnte ich deine kritikfreie Anleitung umsetzen: kurz, klar und präzise sagst du, was verändert werden muss, und der Effekt ist sofortiger Erfolg.

Hauke meinte dazu nur: Ich lass‘ halt alles weg, was du nicht brauchst um auf`s Wasser zu kommen. Klasse Lehrer!

Und dann dieser Glücksmoment: diesmal selbst erarbeitet! Also: der Wind flaut ab und ich habe gerade den Wasserstart gepackt. Ich fliege einen Softkite (ich mag die Dinger, die sind so fein abgestimmt und ästhetisch, hach) und bin einen kurzen Moment die Einzige, die fährt, alle anderen sind raus aus dem Wasser. Nein, ich will jetzt nicht aufhören, ich ziehe immer wieder die Matte durch die Powerzone, sinke ein, starte neu. Völlig erschöpft, aber sauglücklich stapfe ich schließlich aus dem Wasser. Erst am Strand merke ich die Erschöpfung und die Schmerzen in den Unterarmen. Egal, denke ich.

Falsch gedacht. Einige werden es wissen, die Sehnen der Fingerstrecker sind bei manchem zu wenig trainiert, so auch bei mir. Abends schwellen meine Unterarme übel an und schmerzen, keine Kraft. Alles über 300g kann ich nicht mehr greifen, dass Abknicken des Handgelenks ist die Hölle.

„Tennisarm“ lautet später die Diagnose, oder besser „Kitearm“. Absolute Ruhe und Schmerzmittel. Massagen, Dehnung der Muskulatur und Training des Gegenspielers am Unterarm helfen.

Und doch: Ganz ehrlich, dieser Erfolgsmoment mit dem Softkite war es, jetzt wo die Arme besser sind, wirklich wert J. Außerdem habe ich die Anregungen zu Kurskorrekturen umgesetzt und dafür im Alltag Glücksmomente gewonnen. Die Aussicht, zum Familiencamp wieder in Loissin zu sein, und die Hoffnung auf mehr Wind haben mich zu der Überschrift gebracht: DA GEHT NOCH WAS!!!

Julia Schallehn