Verleihung Missionspreis
Dabei gewesen …
bei der Verleihung des Missionspreises 2008 von "Andere Zeiten e.V"
Pfingstmontag 2008
Die Sonne scheint, ein leichtes Lüftchen weht, Hamburg feiert seinen 819. Hafengeburtstag und zeigt sich von seiner schönsten Seite. Ich selbst bin gut gelaunt und gespannt auf die Dinge, die da kommen. Gemeinsam mit meiner Frau, die bestens zur schönsten Seite Hamburgs passt, suche ich – weißes Hemd, etwas abgetragene Jeans und recht schmuddelige Schuhe und dazu noch eine Frisur, die dringend nach einem Friseur schreit, wie ein netter Kollege mir etwa später sagen wird – in der Fischers Alle die Hausnummer 26. Da ist er also beheimatet, der andere Verein. Andere Zeiten e.V..
Vor einer netten Villa unweit der Elbchaussee lässt der Lieferwagen eines Cateringservices auf Gutes hoffen. Freundliche Begrüßung. „Ach Sie sind …“, „ja, ich bin und Sie sind also diejenige…“ Inmitten der illustren Gesellschaft ein bekanntes Gesicht. Frau Modersohn.
Meine Hamburger Studentenzeit taucht in der Erinnerung auf. Frau Modersohn war eine der guten Seelen der bekannten evangelischen Buchhandlung Tuchel in Hamburgs Innenstadt. „Tuchel“ gibt es nicht mehr und Frau Modersohn erlebt jetzt andere Zeiten. Gemeinsame Erinnerungen werden ausgetauscht. Vier oder fünf Mal habe ich – wie viele andere Theologiestudenten auch – bei „Tuchel“ Inventur gemacht. Jahr um Jahr gab es ein gutes Mittagessen, Bargeld und einen dicken Büchergutschein. Einige Kommentare des EKK zeugen bis heute von den Tuchel-Inventuren. Wie schön, dass Frau Modersohn die Dozenten des Theologischen Seminars, welches bis Ender der 90iger Jahre in Hamburg beheimatet war, in guter Erinnerung hat.
Erinnerungen an Wiard Popkes werden wach. Im vergangenen Jahr habe ich seinen Sarg mitgetragen. Trauer mitten am strahlend hellen Sommertag. Dann gibt es die ersten Häppchen.
Und das erste „Stößken“: „Auf ihr, unser, aller Wohl“. Ein Kostverächter bin ich ja wahrlich nicht, aber mit dem Alkohol lasse ich es momentan etwas sein. Ich stürze mich auf die leckeren Pflaumen im Speckmantel – das französische Wort (ich habe es vergessen) für „Gaumenkitzler“ wird mir von irgendwo her entgegengeweht.
Noch ein bekanntes Gesicht. Mehr noch. Vertraut. Götz hat die Einladung angenommen und ist gekommen. Man braucht vertraute Menschen, wenn man in einer Umgebung ist, die man sonst nicht kennt. Plötzlich bin ich sehr vertraut. „Dass wir das noch miteinander erleben!“ Lächeln, feixen, fröhlich sein. Ein Clown torkelt durch die Menschenmenge, die gar nicht so mengig ist. 60 Leute? 80 vielleicht? Irgendwie interessieren sich aber nur die paar Kinder für die Clowneinlage. Man setzt sich, klönt ein wenig. Noch ein Häppchen? Geht schon.
Ich sehe lauter bekannte Hamburger Gesichter. Zumindest bekannt aus der Hamburger kirchlichen Szene. Und da ist er auch. Der emeritierte katholische Theologieprofessor aus Hamburg (jetzt München). Dass ich den mal leibhaftig erlebe… . Er gehört zur Jury, die den Missionspreis vergibt. Irgendwie komme ich mir fehl am Platze vor.
Ein paar mehr Bilder von der Preisverleihung
Meine Gedanken schweifen ab. Wieder Hamburg. Es rührt mich schon ein wenig an, dass meine erste, einzige und geliebte Gemeinde, in der ich „ganz normaler“ Jugend- und dann noch normalerer Gemeindepastor war, nur ein paar hundert Meter Luftlinie von hier entfernt liegt. Was habe ich in dieser Stadt nicht alles erlebt? Ich glaube, ich werde älter. Das hört sich hier ja schon fast wie meine Memoiren an. Was soll`s? Ich schreibe weiter! Menschen fallen mir ein, die ich und die mich in Krisen begleitet haben. Peinliche Predigten, die ich gehalten habe und ehrfurchtseinflößende Gottesdienstbesucher in der Blankeneser Kirche. Und Menschen mit Sorgen. Und Nöten. Und 50 gestandete Kinder aus Tschernobyl. Und die Musiker vom Phantom. Und die Kirchenrückwand. Und Ärger. Und rauschende Feste. Da bin ich wieder. Das Fest rauscht so vor sich hin. Nett ist es, einfach nett.
Und dann:
„Sehr geehrte Damen und Herren!“
Pastor Westphal als Vereinsvorsitzender begrüßt die Anwesenden. Es gibt ja Menschen, die haben es einfach drauf mit der Sprache. Und mit dem Inhalt. Und die haben es auch drauf, den Inhalt des christlichen Glaubens so zur Sprache zu bringen, dass man mehr als Bahnhof versteht. Er ist offensichtlich so einer. Beeindruckend. Zumindest für mich. Ein ausgeschriebenes Konzept suche ich bei ihm vergeblich. Ach wären meine Konzeptansprachen doch nur halb so konzeptlos wie seine konzeptlose Ansprache. Klasse. Dann ein Lied. Feinste Begleitung. Cello und Gitarre. Extra aus Dresden angereist. Die Hamburger Musiker waren bestimmt alle beim Hafengeburtstag. Nein, nein, war schon ein Hörgenuss. Und vernünftig gesungen hat die versammelte Kirchenmannschaft auch. Und inhaltsträchtige und für mich melodiös ansprechende Lieder. Wieder ein abschweifender Gedanke: Ich sehne mich in Gottesdiensten, die ich erlebe, nach solchen Liedern. Die Texte und Melodien mancher modernen Lieder sind – wie schrieb neulich noch jemand in einem Leserbrief - „intellektuell und theologisch kaum noch zumutbar“. Oder so ähnlich.
Dann die Laudatio. Festansprache.
Pastorin Andrea Schneider geht hinter das Pult und hält eine Ansprache, in der sie immer wieder die „alte Dame Kirche“ anspricht. Und dass doch mit den Projekten und Initiativen, die von Andere Zeiten ausgezeichnet werden, deutlich wird, dass mancher frischer Wind in der Kirche weht und dass man noch lange nicht den Kopf in den Sand stecken muss. Recht hat sie. Finde ich. Die meiste Zeit verwendet sie dann auf den 1.Preisträger. Das ist auch angemessen.
Das Kirchenschiff in St.Peterording hat alle Jurymitglieder auf Anhieb überzeugt. Und das aus 91 Bewerbern. Sogar der Bürgermeister von St.Peter ist angereist, um den evanglischen und katholischen KollegInnen Geleitschutz beim Empfang des Preises zu geben. Dann Händeschüttel, Urkunde und das Vasen-A überreichen und „Blitz“. Ein Cafeprojekt folgt und dann ein paar nette Worte zu ewigkite.de. Hände, Urkunde und Blitz.
Wie die anderen Preisträger bedanke ich mich – ist mein Hemd eigentlich wirklich weiss oder sind sämtliche Flecken(auch die der Vergangenheit) zu sehen?- . Ich versuche zum Ausdruck zu bringen, dass ich mich freue, dass ewigkite.de gerne im ökumenischen Kontext arbeitet, dass es in keiner Weise darum gehen kann, irgend eine Konfession gegenüber einer anderen hervorzuheben, dass ich mit dem Gewinn nicht gerechnet habe, dass ich mich aber riesig freue, denn seither kann es mit der Arbeit von ewigkite.de so richtig losgehen. Ich denke noch mal kurz dran, dass ich das Konzept schon knapp zwei Jahre in der Schublade hatte, dass es aber – wie bei fast allen meiner Ideen- mal wieder am Geld gescheitert war. Auf die Idee, an einem Wettbewerb teilzunehmen war ich bisher allerdings noch nicht gekommen. Wo ist der nächste Wettbewerb? Kann ich noch mal gewinnen? Ich habe da eine Idee… . Jetzt aber langsam. Und immer auf dem Boden bleiben. Wobei: das leichte Schwebegefühl, das ich im Januar beim Anruf von Andere Zeiten, in dem mir der Gewinn mitgeteilt wurde, hatte, das habe ich in diesem Moment auch wieder.
Das letzte Projekt wird belobt. Dann noch ein paar ausleitende Worte. Lied. Gebet.
Essen. Oh, wie lecker. Und das alles bei Sonnenschein in einem lauschigen Garten in Hamburg. Sämtliche Ernährungstipps spielen heute keine Rolle. Ich lasse es mir schmecken. Und es schmeckt. Lauter gute Sachen. Fein, feiner, vom Feinsten. Beim Nachtisc h fallen dann alle kalorienbewussten Hemmungen. Weder Brigitte-Diät noch Trennkost hätten hier eine Chance. Wie will man denn auch Sahne von Pudding mit Kuchenfüllung und Früchten trennen? Gespräche hier und da. Nein, ich habe keinen Bock darauf, Kontakte zu knüpfen, um irgendwas „zu drehen“. Ich genieße einfach den Tag. Ein kurzer Kontakt zu den Leuten aus St.Peter ergibt sich. Ja, wir können mal etwas gemeinsam machen. Das wäre doch was, wenn zwei Preisträger mal gemeinsam „auftreten“. Unsere E-mailadressen werden wir finden. Natürlich in der Broschüre, die heute der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
Meine Güte, die Andere Zeiten –Leute haben echt Gas gegeben, was diesen Tag angeht! Sie waren weder mit Arbeit, noch mit Mühe, Zeit oder Geld geizig. Eine Vierfarbbroschüre informiert über die Preisträger und viele andere gute Projekte. Keinen Ahnung, warum gerade ewigkite.de gewonnen hat. Aber schön ist es trotzdem. Auch das lauschige Miteinander. Es erklingt herrliche Musik – brasilianisch angehaucht. Laues Sommerlüftchen. Jetzt noch ein Tasse Kaffee. Das Leben ist so schön.
Und dann der Holländer. Also Hollander heißt er und Holländer ist er. Wir haben unseren Spaß. Insbesondere als ich ihm dann noch meinen Nachnamen nenne und er sofort Bescheid weiß, dass meine Vorfahren aus dem Land kommen müssen, welches ihm seinen Namen gegeben hat. Der Holländer Hollander ist der Fotograf des Tages – vergnügt posiere ich auf der Gartenbank (die so stilvoll ist wie alles andere an diesem Tag). Gruppenfoto. Auch lustig.
Dann noch ein Interview für die Kirchenredaktion vom NDR, FFN und so. Das macht mir Spaß. Ja, ich rede gern. Soll ich mir das abgewöhnen? Vielleicht eher mal das Zuhören dazu angewöhnen. Ein nettes Interview. Fröhlich drauf los. Ja, den Sendetermin hätte ich gerne. Mal hören.
Hier und da noch ein kleines Pläuschen. Immer die nette Musik im Hintergrund. Und dann geht auch die schönste Preisverleihung dem Ende entgegen. Und die Schönste geht mit mir aus dem herrlichen Garten durch das schöne Haus auf die ganz normale alltägliche Straße auf den Weg nach Hause.
Da ist er wieder: der Alltag. Noch immer scheint die Sonne. Aber spätestens morgen wird es nicht mehr so glänzend sein. Auch gut. Ich würde zu übermütig und zu dick werden.