Be free - be Fanö!
„Be free! Be Fanö!“
Fanö für Fahranfänger und Fortgeschrittene, Freerider und Freaks
Es ist kurz vor Mitternacht. Die Fähre nach Fanö legt zum letzten Mal an diesem Tag ab. Den Alltag haben wir seit mindestens 150 Kilometern an der deutsch-dänischen Grenze hinter uns gelassen. Nach 15 Minuten Fährfahrt und einer kurzen Suche im Dunkeln, finden wir unser Ferienhaus. Ein paar andere Kiter sind schon da. Der Grill wird noch mal angeschmissen. Das geht gut los!
Mit insgesamt acht Kitebegeisterten teilen wir das Ferienhaus mitten in den Dünen im Süden der Insel. Im Alltag träumen wir alle hin und wieder von fernen Kitezielen, die das Paradies auf Erden versprechen. Wir suchen das Glück diesmal aber vor der Haustür bei unseren dänischen Nachbarn. Und wir werden es finden! Zwei Kiter mit Meistertiteln sind mit uns unterwegs: Pascal Lohmann und Emmanuel Norman. Die Beiden wollen trainieren. Wir Anderen wollen hauptsächlich Kite-Urlaub zusammen machen.
Terminlich haben wir dafür das 28.Internationale Drachenfest zum Anlass genommen. Das größte europäische Einleiner-Drachen-Fest findet jährlich auf dem endlos erscheinenden Strand der Nordseeinsel statt. Unser Ding ist ganz klar Powerkiten. Es ist aber schon beeindruckend, tagsüber tausende von filigran, meist handgearbeiteten Singleline-Kites am Himmel zu sehen. Bunt und farbenfroh präsentiert sich auch in diesem Jahr Mitte Juni wieder die internationale Drachenszene eine Woche lang. Ziemlich abgefahren, welche Figuren die Drachenfans im Laufe der kalten Jahreszeit in ihren Wohnungen und Kellern konstruieren und nähen, um sie dann auf Fanö zu präsentieren: Riesenfische und Kraken, fliegende Bierflaschen und Megabowls und jede Menge Phantasiefiguren. Nicht selten schweben 50 Quadratmeter große Figuren am Himmel.
Ein paar Kilometer südlich davon packen wir am Buggystrand unsere wesentlich kleineren Kites aus. Von 6 bis 21 Quadratmeter haben wir alles dabei, was das Kiter-Herz erfreut. Täglich fahren wir mit unseren Kitemobilen und dem Wohnwagen am späten Vormittag an die Stelle am Strand, wo sich über einen knappen Kilometer die Powerkiter und Strandsegler tummeln. Der feste Strand der Westküste kann vom Norden bis zum Süden mit dem Auto befahren werden. Entlang der Dünen bewegen sich die Autos meistens im vorgeschriebenen Tempo von 30 Stundenkilometern. Manchmal beobachtet man aber Fahrzeuge mit knapp 80 Sachen. Deren Fahrer können es allem Anschein nach nicht ertragen, von Leuten wie Pascal in einem Buggy überholt zu werden. Bei Onshore-Wind können Buggyfahrer von Beginn des Buggygebietes an etwas 5 Kilometer in eine Richtung fahren. Pascal schraubt seinen Buggy zusammen und packt seine 19er Speed 3 De Luxe aus. Langsam fährt er sich ein, um dann zu zeigen, bis wohin seine Tachonadel ausschlägt. Kilometerlang auf bestem Untergrund Strecke machen, das empfindet er offensichtlich als beglückend. Selten sieht man ihn Pause machen. Die Tage auf Fanö nutzt er für sein persönliches Meisterschafttraining. Der weite und feste, nur an manchen Stellen durch leichte Sandverwehungen unebene Sandstrand bietet ihm und auch uns anderen Hobby-Buggyfahrern ideale Bedingungen fürs Driften und für alle Arten von Wendemanövern. Wir lassen unsere vier Buggys ordentlich rollen und gehen mit dem Material und unseren Kräften bis an die Grenzen. Dutzende von Buggyfahrern sind auf Fanö unterwegs. Eng wird es dabei aber nie. Fanö, da ist jede Menge Platz und jede Menge Freiheit für Buggyfahrer!
Einige von uns machen sich nach einem Kaffee am Strand – wie gut, dass wir einen robusten Kaffeevollautomaten dabei haben, der die Schwankungen unseres Generators mitmacht - fürs Wasser fertig. Meistens haben wir auflandigen Wind. Manchmal sideshore. Während der Woche zeigt der Windmesser unterschiedliche Werte an: Zwischen 10 und 25 Knoten ist alles dabei. Nur an einem Tag ist der Wind spürbar ruppig. Vier von uns sind enthusiastische Kitesurfer. Aber Emmanuel schlägt uns alle: Noch bevor wir unsere Kites überhaupt ausgelegt haben, ist er schon auf dem Wasser und feilt an seiner Geschwindigkeit. Sein Training fürs Speedfahren betreibt er leidenschaftlich in etwa 100 Meter Abstand parallel zum Strand. Weiter draußen sind die Wellen langgezogener als in Strandnähe. Emmanuel kommt damit bestens zurecht und macht im Schirm Druck ohne Ende. Hin und wieder unterbricht er seine Speedsessions für eine gekonnte Sprungeinheit. An der aus dem Board ragenden Mittelfinne kann man noch aus der Ferne erkennen, dass Emmanuel mit seinem Flyrace unterwegs ist. Publikum scheint Emmanuel heute nicht nötig zu haben. Er ist einfach nur konzentriert.
Auch Kitesurfer, die keine Wettbewerbe fahren und sich als Anfänger oder Fortgeschrittene bezeichnen würden, kommen auf Fanö voll auf ihre Kosten: Bei ab- oder auflaufendem Wasser bilden sich für zwei bis drei Stunden am Tag langgezogene Flachwasserbereiche, die der Nordsee vorgelagert sind. Bei anlandigem Wind haben Anfänger und Flachwasserfreaks ein ideales Revier: Das Wasser ist knietief und trotz des Windes sehr ruhig. Es fehlt nicht viel und man könnte von „spiegelglatt“ sprechen.
Einer von uns macht sich bei ca. 15 Knoten mit nur zweimaligem kurzen Aufkreuzen bis nach Fanö Bad im Norden der Insel auf den Weg. Wind und Tiede meinen es an diesem Tag besonders gut:
6 Kilometer flache Piste. Vorbei an den hunderten von Einleinerdrachen, die den strahlenden Himmel über Fanö mal wieder zu einem phantasievollen Gemälde verzaubert haben. Der Kurs zurück ist noch entspannter. Einfach nur Zurückgleiten. Ein strahlender Kitesurfer kommt nach einiger Zeit wieder auf der Höhe des Buggystrands an. Und weil es so schön war und das Wasser noch immer flach und ruhig ist, übt er gleich noch ein paar Tricks. Was man auf Kabbelwasser oder in den Wellen vergeblich versucht, das geht auch auf Fanös Flachwasser geradezu einfach. Noch einfacher geht es nachdem Emmanuel, der vom Strand aus ein paar Sprünge und Tricks beobachtet hat,
hilfreiche Tipps gibt.
Ab 20 Meter hinter der Wasserkante finden sich langezogene, langsam auflaufende Wellen oder – wenn der Wind auffrischt – auch mal heftige Wellen, die ein wenig mehr Können fordern. An ein gemütliches Stehrevier ist dann allerdings nicht mehr zu denken. Das kilometerweite Kitesurfgebiet bietet Platz ohne Ende und lädt hin und wieder auch zu einem gediegenen Downwinder ein.
Fanö, da ist jede Menge Platz auf dem Wasser und jede Menge Freiheit für Kitesurfer!
Land-Sessions beginnen Pascal und Emmanuel manchmal mit parallelen Landboard- und Buggyfahrten. Offensichtlich haben sie Spaß dabei, sich während der Fahrt mit Moves und Tricks so nahe zu kommen, dass sich zumindest ihre Hände während der fahrt und während des Flugs kurz berühren. Zu Unfällen kommt es glücklicherweise nicht. Gekonnt ist eben gekonnt. Anschließend sieht man die Beiden stundenlang auf ihren Landboards. Mit Tempo und Slides über den Strand oder mit akrobatischen Moves, Handlepasses und all den Tricks, deren Namen die normalen Zuschauer nicht kennen, zeigen sie, was in ihnen steckt.
Fanö ist auch Freiheit auch für Landboarder.
Meistens verlassen wir als letzte Gruppe erst gegen 22.30 Uhr den Strand. Ein letzter Ausflug aufs Wasser. Eine letzte kilometerlange Buggyfahrt. Eine letzte Landboard-Session. Und das alles bei untergehender Sonne.
Spätestens jetzt ist das Gefühl von Freiheit so erfüllend, dass man am liebsten auch noch die Nacht durchkiten will.
Aber Morgen ist ja auch noch ein Tag. Und Emmanuel will den „Bunker rocken“. Den an den Krieg erinnernden Betonklotz hatten wir am Vortag am Rand der Dünen entdeckt. Vor unserer Expedition dorthin klären wir erstmal, ob das Gebiet, in dem er liegt, zur abgesperrten Dünenzone zum Schutz für brütende Vögel liegt. Der Schutz der Schöpfung wird auf Fanö groß geschrieben. Das ist gut so. Der Bunker liegt im frei zugänglichen Gebiet. Emmanuel ist ganz aus dem Häuschen, baut seinen Kite auf, schnallt sich sein Board an die Füße und gibt eine Stunde lang Vollgas: Rauf auf den Bunker, runter vom Bunker, hochkant und quer entlang am Bunker, Jumps zwischen Bunker und angrenzender Rampe. Beeindruckend, was man an einem Bunker mit Kite und Landboard so alles machen kann!
Fanö hat sich uns allen eine Woche lang als Insel der unbegrenzten Möglichkeiten für Kiter präsentiert.
Auch die Botschaft des Bunkers hat keiner von uns vergessen.
Auch nicht, als wir wieder dem Alltag entgegen gefahren sind und die dänisch-deutsche Grenze schon längst hinter uns lag:
„Be free!“