Sie

Sie brauchen es.

Unten rechts im Bild sind ganz klein und fein Worte aus dem Mund Jesu zu lesen: „Gebt ihr ihnen zu essen!“  Man könnte ergänzen: „Sie brauchen es.“
Das war vor 2000 Jahren so, als etliche tausend Menschen hungrig waren. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen.

Sie hatten einfach die Zeit vergessen. Sie waren Jesus irgendwohin in die öde Landschaft des Landes gefolgt. Dann hatten sie ihm zugehört. Das kann dann schon mal passieren, dass man die Zeit vergisst, wenn man Jesus zuhört. Auf jeden Fall meldete sich der Hunger irgendwann. Kein Kiosk, kein Supermarkt weit und breit.

Die Freunde Jesu machen den Vorschlag, dass die Leute sich ja in den umliegenden  Dörfern selbst etwas besorgen können. Die etwas naiv lautende Antwort Jesus: „Es ist nicht nötig, dass die Leute fortgehen. Gebt ihr ihnen zu essen.“

Vorbemerkungen:

1. Jesus scheint nicht ganz verstanden zu haben, um welche Masse Menschen es sich hier handelt. Auch die 12 Jünger können nicht so viel bei sich haben, dass es für die 5000 Menschen ausreichen würde. Oder ist seine Aufforderung nur eine Art Einleitung für das folgende Geschehen?


1.Mit dieser Geschichte - der vorinformierte geneigte Leser weiß, dass sich eine wundersame Speisung anschliessen wird - muss es also etwas anderes auf sich haben, als zu zeigen, dass Jesus eine Art Zauberer ist.

2.Die Jünger müssen sich wie vor den Kopf gestossen fühlen. Unmöglich, was Jesus da von ihnen verlangt.


Anmerkungen:


Die Geschichte von der wunderbaren oder auch wundersamen Fünf-Brote- und -zwei-Fische-Vermehrung muss einen anderen Sinn haben als den, der offensichtlich erscheint.


Denn was würde es dem Hörer bringen, dass Jesus irgend wann einmal 5000 Leute mit ein paar Broten und ein paar Gramm getrocknetem Fisch satt gemacht hat? Jesus wäre nur einer der vielen Wundermänner dieser Welt, von dem sagenhafte Geschichten erzählt werden. Manchen Auslegern und auch manchen Christen reicht diese Interpretation allerdings aus.

Hinter dem Wundersamen kann eine Botschaft entdeckt werden, die tiefer, die weiter geht. Zum Beispiel, wenn man bedenkt, dass Jesus zuerst seinen Jüngern sagt: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ und das nicht nur als eine lapidare Einleitung zu einem Wunder missverstanden wird.

Jesus mutet und traut seinen Leuten das Unmögliche zu. Insbesondere wenn es darum geht, für andere Leute Gutes zu tun. Insbesondere dann, wenn es darum geht, Hungernden, Kranken, Schwachen, Benachteiligten zu helfen. Wer diese Botschaft aus dieser Geschichte streicht oder vernachlässigt, der übersieht den diakonischen Aspekt der Sendung Jesu in diese Welt, der ebenso zum Reich Gottes gehört wie die Verkündigung des Evangeliums, der „Frohen Botschaft“, dass Gott versöhnt mit allen Menschen leben möchte. Die Geschichte von der Speisung der 5000 auf ein Wunder zu verkürzen würde bedeuten, weniger von Jesus zu halten und zu denken, als diese Geschichte vermitteln möchte.

Jesus traut seinen Leuten etwas zu. Das war damals so und das ist wohl auch heute noch zu. „Sie brauchen das.“ Auch heute noch brauchen Menschen Essen. Hamburger sind dabei natürlich fehl am Platz. Die Postkarte ist mit einem Hingucker-Aufrüttel-Bild gestaltet. „Sie brauchen Essen.“

Auch heute noch. Gebt es ihnen. Ich traue euch das zu. Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen erleben den heutigen Tag hungernd. Sage keiner aus der sog. Ersten Welt, dass es dafür ein göttliches wunder braucht, um diesen Missstand abzuschaffen. Sage keiner, es brauche einen Wundertäter, um der Lage Herr zu werden. Es braucht Herren und Frauen in Politik und Gesellschaft, es braucht mich und dich, um diesem Elend Herr zu werden. Seinen Jüngern damals hat Jesus das zugetraut.

Und sie haben geantwortet, wie Menschen aller folgenden Zeiten geantwortet haben: „(Aber) Wir haben (doch) nur 5 Brote und 2 Fische!“ Wie soll das gehen? „Wir haben doch nur unser Einkommen, mit dem wir gerade mal so auskommen und nicht einmal für unsere Nachkommen sorgen können!“ „Frag‘ doch den Millionär, der in unserer Stadt wohnt, der hat genug.“ „Ich bin ja selbst schon am Sparen!“  Fragt man den Millionär, so wird er antworten: „Frag‘ doch den Milliardär!“ Und der Milliardär wird antworten: „Frag‘ die Vereinten Nationen!“. Oder? Nein, es gibt Ausnahmen.

Ausnahmen von Menschen, die nicht erst auf die nächst höhere Ebene - oder womöglich gleich auf die höchste Ebene „Bitte doch Gott um ein Wunder!“ - verweisen, sondern die sich selbst an die Nase und in den Geldbeutel fassen.

Anfang August 2010 machten es einige Milliardäre vor: „In einer beispiellosen Initiative haben 40 US-Milliardäre das Versprechen abgegeben, die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden. Es handle sich dabei jedoch um eine "moralische Verpflichtung" und nicht um eine rechtlich bindende Zusage, erklärte die Gruppe The Giving Pledge (Das Spenden-Versprechen). Hinter der Initiative stehen Microsoft-Gründer Bill Gates und Großinvestor Warren Buffet.“

Hier haben Menschen erkannt: „Sie brauchen es.“ Ob sie das Wort Jesu „gebt ihr ihnen zu essen!“ dabei gehört haben, das ist - zumindest was das Ziel der Aussage Jesu, das Kommen des „Shalom“, des Wohlergehens an Leib und Seele, angeht - nebensächlich. Milliardäre können sehrwohl für das Wohlergehen des Leibes sorgen. Millionäre auch. Normalverdiener auch. Unterdurchschnittlich Verdienende auch. Jesus traut das seinen Leuten zu.
Die Klein- oder Kleinstverdiener der damaligen Zeit stellen das zur Verfügung, was sie haben (nachdem Jesus sie aufgefordert hatte, ihr Brot und ihre Fische zu bringen; allein wären sie vermutlich nicht auf die Idee gekommen, dass Jesus aus dem wenigen, das sie haben, etwas machen kann).

Und dann geschieht das „Wunder“: Wenn Menschen teilen, wenn Menschen das loslassen, was sie „haben“, wenn sie nicht mit ihrem ganzen „Sein“ daran hängen, dann kann Jesus aus dem Wenigen viel machen. Dann vervielfacht sich das Gegebene.

Das ist eine Botschaft mit der ich heute auch noch etwas anfangen kann.
Da, wo ich gebe, da, wo ich loslasse, da vervielfältigt sich das Gegebene. Da werde ich nicht ärmer, sondern satt. Und das nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen Menschen. Das Sattwerden ist dann auch nicht nur ein Äußerliches. Teilen für zur innerlichen „Sattheit“. Teilen (und dadurch Vermehren) ist eine Lebensweise, die Jesus geradezu empfiehlt.

Man lese dazu nur seine wohl berühmteste Rede, die Bergpredigt. Oder man lese seine Aussagen zum Jüngersein, zur Nachfolge. Nie geht es darum, dass die, die Jesus nachfolgen, mehr haben sollen, als sie bereits haben. Eher ist es so, dass sie weniger haben sollen und indem sie geben und loslassen, gewinnen sie ihr Leben.

Die Geschichte von der Speisung der 5000 wird zu einer religiösen Wohlfühlgeschichte uminterpretiert, wenn man den Schwerpunkt auf die Wundertat Jesu legt („Unser Jesus ist so toll, so stark, so super, Mensch, was ist das für eine tolle religiöse Leitfigur! Lasst uns ein Loblied singen!“).

Tut man das nicht, so bleibt diese  Geschichte ein Stachel im Leben aller Christen. Wir sollten anders leben.
Zur Ehre Gottes. Und zum Wohl der Menschen.

 

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