Pastor persönlich - September 2018/ Erik Neumann


Wenn plötzlich alles ganz anders wird… warum lässt Gott das zu?

Am Sonntag, dem 6.8.2017, ging um kurz nach 10 Uhr nicht wie sonst die Kirchentür noch einmal auf – dass meine Frau noch schnell zum Gottesdienst erschienen wäre. Nein, an diesem Sonntag nicht. Da wusste ich: jetzt würde ich handeln. Ich würde sie ins Krankenhaus bringen, auch wenn sie es wieder – wie gestern – ablehnen sollte. Seit Wochen bekam sie schon bei geringer Belastung schlecht Luft und war beim Aufstieg auf Dünen sogar zusammen gebrochen. Deshalb ließ sie sich von Ärzten behandeln. Alle vermuteten, dass das an ihrem Asthma liegen müsse, das sie schon länger hatte. Bisher hatte es ihr nicht wirklich etwas ausgemacht.

Ich sprach in diesem Gottesdienst von der Hoffnung auf die neue Welt Gottes und was diese Hoffnung in diesem Leben alles freisetzen kann.

Gegen Ende des Gottesdienstes kam eine Freundin unserer Familie und nahm mich aus dem Gottesdienst: meine Frau werde gerade ins Krankenhaus gebracht und es sei sehr ernst. Im Krankenhaus angekommen erfuhren wir, dass die Wiederbelebungsversuche nicht anschlugen. Meine Frau verstarb. Das war für uns unfassbar. Und bleibt es bis heute.

Medizinisch gibt es eine Erklärung: es war nicht Asthma, sondern sie hatte einige Lungenembolien gehabt – und an der letzten ist sie verstorben. An einigen Stellen war es ganz knapp davor gewesen, dass Ärzte die wahre Erkrankung entdeckten – aber es ist eben nicht passiert.

An diesem Sonntag fühlte es sich an, als stehe die Welt still. Das blieb auch eine Zeit lang so, als in den folgenden Tagen und Wochen ungeheuer viel zu regeln und zu organisieren war: die Trauer und die Lücke, die meine Frau hinterließ, waren schwer auszuhalten.

All die Adressen, die wir für das Versenden unserer Einladung zur Silberhochzeit heraus gesucht hatten, mussten wir nun für das Versenden der Todesnachricht verwenden. 

Ich habe keine Erklärung dafür, warum Gott das zugelassen hat. Da sind der schreckliche Verlust und die Lücke, die bleiben. Und doch ist das nicht die ganze Wirklichkeit. 

Denn da war auch die unglaublich liebevolle Anteilnahme, die uns überwältigt und so sehr getragen hat. Über 700 Menschen haben in unserer Kirche Abschied von Bärbel genommen, in über 400 Karten haben Menschen liebevoll versucht, Worte zu finden für das nicht Sagbare. So viele Gebete für uns wurden und werden gesprochen. In der ersten Woche nach Bärbels Tod haben sich drei Freunde von mir spontan Tage frei genommen, um mir beizustehen. All dieser Beistand tat ungeheuer gut!

Ich wurde darauf aufmerksam, dass es in dieser schweren Zeit auch viel Wunderbares gab. Dazu gehört auch, dass ich in den letzten Monaten staunend wahrnahm, dass ich mich trotz des Schweren Gott meistens sehr nahe fühlte und mich eine große innere Motivation und Freiheit zum Dienst als Pastor trug und trägt. Anscheinend hilft ein so einschneidender Verlust, freier für Wesentliches zu werden. So kommt es mir jedenfalls vor. Großes wird groß und Kleines wird klein.

Zwei Wochen nach der Beerdigung machte unsere Regionalbischöfin ihren Kondolenzbesuch bei mir. Sie fragte mich, was ich in meiner Arbeit als Pastor besonders gern machte. Ich erzählte ihr von den Männerkitecamps. Da wurde sie hellhörig und sagte, so etwas, wo man mit Sportlern und Männern über Glaubenssachen ins Gespräch kommt, brauche die Kirche. Sie wolle schauen, ob man dieses Angebot nicht erweitern und vielleicht sogar einen Stellenanteil dafür schaffen könne. Und tatsächlich: im Sommer 2019 kann ich nun 7 Kitecamps anbieten! Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist und freue mich sehr auf diesen neuen Aufgabenbereich. Auch sonst hat die Kirche mich in der schweren Zeit sehr unterstützt.

All diese positiven Entwicklungen ändern nichts an der furchtbaren Lücke, die der Tod meiner Frau gerissen hat. Wir müssen einen schweren Weg gehen. Aber all das Gute ist daneben eben auch Wirklichkeit – und über diese Wendungen staune ich.

Die Hoffnung auf den Himmel, von der ich am Morgen des 6.8. gepredigt habe, ist mir wichtiger geworden. Das Schwere dieses Lebens ist bei Gott aufgehoben in doppeltem Sinne: Er wird es würdigen. Und er wird es wegnehmen. Wenn wir einmal bei Jesus sind, wird uns seine Nähe so begeistern, dass das Schwere und Offene dieses Lebens uns nicht mehr belasten wird. Darauf freue ich mich.

Ich habe am 6.8. auch davon gesprochen, wie die Hoffnung auf die neue Welt Gottes Menschen beflügelt, sich ganz für dieses Leben einzusetzen. Auch das ist mir wichtiger geworden. Wir leben jetzt und hier. Ich möchte die Möglichkeiten von heute, hier und jetzt ergreifen. Und da staune ich über noch manche andere Entwicklungen, von denen ich kaum zu träumen gewagt habe. 

Warum Gott das alles zulässt, weiß ich nicht. Nochmal ganz anders gehört für mich zum Leben mit ihm: dass Gott größer ist als ich, weiter sieht als ich, mich andere Wege gehen lässt, als ich es mir ausgesucht hätte. Und doch erlebe ich: Dieser andere Weg ist ein gangbarer Weg, auf dem es auch viel anderes Gutes gibt. Dafür danke ich Gott.

Predigt von Erik Neumann am 6.8.2017 in der St. Mauritius-Kirche Dissen zum Download