18. Dezember

Die letzten 1000 Kilometer im jahr 2009 liegen hinter mir. Am Montag und Dienstag war ich noch einmal in Elstal. Mit den MitarbeiterInnen des Teams waren wir am Montagnachmittag im Jüdischen Museum in Berlin. Das fand ich auf mehrfache Weise sehr ansprechend. Zum einen beschäftigen sich meine Kinder momentan mit der NS-Zeitund vor kurzem hatten wirdie KZ-Gedenkstätte Neuengamme besucht. In Berlin konnte ich ein wenig anknüpfen und vertiefen. Bewegend.

Besonders beeindruckt – und auch traurig gemacht – hat mich die „Leerstelle“ („Gefallenes Laub“). Ein Künstler hat aus Eisenplatten ca. 10 000 weinende oder schreiende Gesichter geformt. Diese bedecken übereinander geschichtet den Boden des Ausstellungsraumes, der sichvon drei Ebenen her betrachten lässt. Ist man auf der untersten Ebene kann man, soll man über diese Eisenplatten gehen.
Das hatte ich zuerst nicht verstanden. Ich dachte, dass man sie nur betrachten soll. Und dann lief jemand darüber. Zuerst war ich empört. „Zerstörung des Kunstwerks“. Das ist aber so gedacht. Also habe auch ich mich auf den Weg gemacht. Auf Gesichter treten. Eisernes Scheppern. Güterwaggons in Auschwitz. Ich habe es kaum ausgehalten.

Das „Kunstwerk“ ist allen Opfern von Krieg und Gewalt gewidmet. Und ich bin beteiligt. Ich „trete“ auf die Gesichter. Den Verstrickungen in Leid und Elend, der „Mitbeteiligung“ an Leid und Krieg kann ich mich nicht entziehen. Indem ich lebe, wie ich lebe, mache ich mich an anderen Menschen schuldig. Das hat nicht erst wieder der Klimagipfel gezeigt. Mein Lebensstil, mein Konsumverhalten, mein eher passives demokratisches Verhalten u.v.a.m. sorgt dafür, dass Menschen auch heute noch getreten werden.

Wie gehe ich mit dieser „globalen“ Schuld um? Das ist für mich nicht so einfach wegzudrücken. Aber auch nicht so einfach zu ändern.

Ein Drittes hat mich im Museum beeindruckt: Die Geschichte des Judentums in Deutschland wird nicht schwerpunktmäßig auf die NS-Zeit reduziert. Eine interessante Ausstellung, die im 11. oder 12. Jahrhundert beginnt und auf ansprechende Weise die wechselvolle Geschichte der Juden in Deutschland erzählt. Ich habe (mal wieder) den Fehler gemacht, mir zu Beginn der Ausstellung zu viel Zeit zu lassen. Ich habe nicht alles geschafft.
Das nächste Malbei einem Privatbesuch in Berlin: das Jüdische Museum wird auf der TOP stehen. Zum Abschluss des Museumsbesuches dann 10 Minuten bei Dunkelheit und Kälte um 0 Grad im „Holocaustturm“. Das hat gereicht.

Der zweite Tag war mit zwei anstrengenden Sitzungen angefüllt. Danach dann – viel zu kaputt – noch 4 Stunden auf die Autobahn. Jetzt bewege ich mich nur noch am Schreibtisch – na ja, am Sonntag geht‘s noch zur Predigt nach Lilienthal. Darauf freue ich mich. Ist eine für mich besondere Gemeinde, die ich immer wieder gerne besuche.

Ansonsten heißt es diese Woche und auch nächste Woche noch „Schreibtisch“. Ist aber okay. Das befriedigende Gefühl, mal in Ruhe ein paar Sachen wegschaffen zu können und nicht ständig durch Termine unterbrochen zu werden. Die Kinder freuen sich ziemlich doll auf Weihnachten. Schön, mit anzusehen. Und ich freue mich auf freie und auch leckere Tage.