Fly to Sicily! Fly a kite! Flysurf Sicily!

 


Nachts um zwei Uhr ins Auto. Was tut man nicht alles, um für knappe
100 €  von Norddeutschland nach Sizilien zu kommen? Man legt noch 80 € oben drauf für Kitegepäck. Zwei boards, Unity 10, Psycho 4 12, Speed 3 15 und 21 sowie Shorty und Trapez lassen sich genau so auf das Sportgepäck und den aufgegebenen Koffer verteilen, dass Wäsche und anderer nebensächlicher Kram ins 10-Kilo-Handgepäck gequetscht werden müssen. Eigentlich müsste ich für alle Windlagen gerüstet sein ... .
Klingt irgendwie nicht nach Familienurlaub. Ist es aber. Mein liebster aus vier Menschen bestehender Anhang nimmt dankenswerterweise mal wieder Rücksicht auf meine Vorlieben, beschränkt sich auf ziemlich wenig Gepäck und wird mich auch zu drei auserwählten, im Internet recherchierten Spots begleiten.

Gegen 6 Uhr hebt die  Boing bei herbstlichen Temperaturen in  Weeze bei Düsseldorf ab: Let’s fly to Sicily! Gut zwei Stunden später eine ruppige Landung auf dem „Mafia“-Flughafen in der Nähe von Palermo. Der Flughafen ist nach den Anwälten Falcone und Borsellino benannt, die 1992 von der Mafia hinterrücks ermordet wurden. Das Attentat war der Auslöser für eine landesweite Ant-Mafia-Bewegung. Dennoch: Auch heute noch sollen laut aktuellem Reiseführer  bis zu 85% der Geschäftsleute auf Sizilien Schutzgelder bezahlen.

Wir treten aus dem Flugzeug. Warme mediterrane Luft schlägt uns entgegen. Der erste Blick geht zu den Palmen am Rand der Startbahn. Es ist windig! Zwar nicht in Windeseile aber doch recht flott besorgen wir den preiswerten Mietwagen, wundern uns, dass wirklich alles Gepäck samt Kites und boards und sogar unsere Familie noch reinpasst. Eine recht einfache aber komplett eingerichtete Holzhütte mitten in einem Olivenhain wird in den nächsten Tagen unsere Ausgangsbasis sein.

Drei Stunden nach Ankunft stehe ich am Strand von Capaci. Der Tag ist noch lang. Der Wind ist mäßig. Bei sehr schlappen 3 bft. packe ich den Unity 10 aus, um ihn wenigstens mal am Strand zu fliegen. Ich will den neuen Kite, der seit kurzem zum Sortiment von ewigkite.de gehört, nun doch endlich mal fliegen. Ein knappes Stündchen, die Familie erholt sich von der Nachtaktion und döst am Strand, lasse ich den Kite kreisen. „Go and fly a kite!“  Ich lerne das Flugverhalten des Unity kennen, freue mich auf Anhieb über die neue Infinty-Bar und habe meinen Spaß. „Ich hol’ dann mal die 21er!“ Als ich zurückkomme hat der Wind ganz leicht zugelegt. Leichte Wellen rollen an den Strand. Flydoor M unter die Füße und los geht’s! Herrlich! Nicht, dass ich meinen homespot Hooksiel bei Wilhelmshaven verachte, aber es hat schon was, wenn man Ende Oktober im Shorty auf warmem und türkisfarbenem Wasser kiten kann. Eine halbe Stunde genieße ich bei ca. 8-9 Knoten das „Seniorenkiten“.



Doch dann frisch der Wind plötzlich auf. Die 15er Speed ist zu weit weg. Mal schaun, wie lange ich die 21er halte. Leider habe ich nicht gemessen (ich schätze mal 16,17,18 Knoten...), aber es war das Heftigste, was ich bisher mit der 21er gewagt habe. Dennoch habe ich mich nicht unsicher gefühlt. Ich hatte meinen Spaß! Die Steuerbewegungen brauchen nur ganz sanft ausfallen und schon hebt mich die Flug- und Hangtimemaschine für laaaaaange Zeit in die Lüfte. „Fly-surf Sicily!“ Die Wellen scheinen im Minutentakt größer zu werden. Schade nur, dass das kleine Board auch in unerreichbarer Nähe liegt. Nach knapp zwei Stunden bin ich kräftemäßig  komplett am Ende. Ich merke es daran, dass die Absprünge und Landungen einfach nicht mehr gelingen wollen. Ich mache also den Absprung. Vom Kitesurfen. Für heute. Wo ist die Familie? Ach, die sind bei Spätnachmittag-Sonne ins Dorf spaziert. Für einen leckerer „cafe americano“ (der Kaffee für schlappe Europäer, die keinen italienschen Espresso wollen) reicht es noch locker, bevor die Sonne früh unter geht und ich für meine Verhältnisse viel zu früh ins Bett falle.

Sizilien ist eine Reise wert. Auch wenn man nicht aufs Wasser will. Der nächste Tag führt uns durch das Großstadtgewühl von Palermo nach Monreale. Eine traumhafte mittelalterliche Stadt samt Kathedrale und einer immer am Wochenende auftretenden Ansammlung von hormongeschwängerten Teenies, die durch die vielfältig verzweigten kleinen Gassen des Städtchens schlendern. Heute haben wir jede Menge Zeit für den einen oder anderen Espresso und für herrlich belegte Panini und zuckergetünchte Sweet-Rolls.

Der nächste Morgen: „Mondello soll einen schönen Strand haben!“ „Ja, es ist Wind, lasst uns da unbedingt hinfahren!“ Ein Strand- und Kitetag 20 Kilometer an einem der angesagtesten Strände westlich von Palermo. Es ist Nachsaison und wir teilen Sonne und Strand mit nur gut zwei Dutzend Urlaubern, die auf dem kilometerlangen Strand kaum auffallen. Das Mittelmeer teile ich mir mit einer Jolle, einem Windsurfer und einem am Horizont sichtbaren Kreuzfahrtschiff.  Es ist 15er-Speed-Wetter. Gemächlich ziehe ich meine Bahnen und genieße Wasser, Wind und die herrlichen Gebirgszüge, die im Westen die Bucht begrenzen. Ich bleibe beim Modell Speed, nehme nach einer Weile aber den 21er an den Haken. Wenn man der einzige Kitesurfer auf dem Wasser ist, kann man sich der betrachtenden Blicke anderer Urlauber sicher sein. Egal auf welcher Könnerstufe man sich befindet. Die Sonne sinkt. Der Wind nimmt ab. Bei mir ist ans Abnehmen nicht zu denken. Sizilianische Küche vom Feinsten! Preiswert, lecker und gut.

Next day is Palermo-day. Wir besuchen nette Verwandte, die mitten in der quirligen Hauptstadt leben und sehen ein wenig was von dieser großartigen Stadt. Ja, man sollte eine Versicherung für sein Mietfahrzeug abschließen. Wir mussten sie zwar nicht in Anspruch nehmen, aber das war wohl nur Zufall. „Die Sizilianer“ fahren genau so Auto, wie alle Witze, Urteile und Vorurteile es beschreiben. Unglaublich: Die Hupe ersetzt Blinker, Bremspedal und vorschriftsmäßiges Verhalten im Straßenverkehr. Es gibt eine italienische StVO, ich weiß nur nicht, wer sie kennt.


Mozia in der Nähe von Marsala soll ein Traumgebiet fürs Kitesurfen sein. Und es lässt sich familientechnisch so gut mit einem Besuch bei den berühmten Salinen von Trapani verbinden. Nach gut einer Stunde Autofahrt schlendern wir über die Wege der Salzfelder. Richtung Westen sieht man hin und wieder ein Flugzeug in Birgi/ Trapani landen. Blickt man Richtung Süden, dann sieht man in der Ferne Kites am Himmel. Wir fahren zu einem der schönsten Spots, die ich je gesehen habe. Und der Wind stimmt!

Mit 4 bis 5 bft, in Böen 6, pustet der Wind über eine der größten Lagunen und Stehreviere Europas. Quadratkilometerweit Flachwasser. Stehrevier, soweit das Auge reicht. Am Horizont Salzberge von der Salzgewinnung und das Gebirge rund um Trapani. Irgendwo im Niemandsland geht es rechts ab durch ein kleines Dorf. Dann noch einen Holperweg und man kommt zum Kite-Spot, an dem mittlerweile eine Kiteschule samt Cafe und Restaurant ansässig ist. Idylle pur! Okay, der Einstiegsbereich ist etwas schmal und selbst in der Nebensaison mit gezählten 25 Kites auf dem Wasser etwas sehr klein. Das macht aber nicht. Dann startet man eben im Wasser. Da ist Platz ohne Ende.

Sizilien steckt bezüglich des Kitesurfens noch einigermaßen in den Kinderschuhen. Mozia ist einer der angesagten Orte. Kitetechnisch bin ich der einzige Softkiter. Kein weiterer Flysurfer-Kite ist am Himmel zu sehen. Und als ich dann auf dem Wasser war, zog der Unity doch so manche Blicke auf sich und nicht nur in Mozia habe ich Fragenm interessierter Beobachter und Kiter zu den FS-Kites beantwortet.



Ich packe also den Unity aus und habe gut Druck. Sind es vielleicht doch konstante 5 bft? Die Batterie des Windmasters ist leer. Mist. Egal. Ab aufs Wasser. Der Unity begeistert mich. Einfach zu bedienen und doch mehr als ein Anfängerkite. Hin und wieder frischt der Wind für ein paar Minuten noch etwas auf. Ich tobe mich aus, lerne den Unity kennen, bringe ihn und mich ans Limit, lasse ihn bis an den Windfensterrand krabbeln und reiße ihn zurück. „Fly Sicily!“ Ich habe keine Spaß und bin jetzt noch mehr angetan von der neuen Controllbar. Und: Der Kite  und die Bedingungen sind ideal (ich kann ruhig x Mal hintereinander auf die Fresse - „Pappa, das Wort sollen wir nicht verwenden!“ –fliegen, das stehtiefe Wasser macht die Folgeversuche einfacher), um ein paar Tricks zu üben, die ich schon immer mal üben wollte. Es dauert seine Zeit (ich bin weder der Sportlichste  noch der Leichteste), aber dann klappt es immer besser. Zufrieden lege ich eine kurze Pause ein. Übungspause. Ich bleibe auf dem Wasser und lasse mich gefühlte 10 Minuten lang an das Ende der Lagune ziehen. Sonne, Platz ohne Ende, bestes Kitematerial, Stehrevier und eine zufriedene, mit Verpflegung aus dem Kiosk versorgte und am Strand lümmelnde Familie. Ach ja, und heute ist auch noch mein Geburtstag!

Der einzige Wermutstropfen, der mich auch noch beschäftigt, als wir längst schon wieder im Flugzeug sitzen, ist, dass ich den Viron 6 nicht eingepackt habe. Der wäre ideal für meine Fliegengewichttochter gewesen. Den 10er Unity konnte sie einfach nicht halten. Parallel kiten und das an meinem Geburtstag, das wäre es gewesen. Nun denn, Hooksiel liegt vor der Tür. Das wird schon noch was. Sie kommt aber leider nur mit, wenn die Temperaturen wie auf Sizilien sind.  
Der nächste Sommer kommt in etwa 8 Monaten. Oder sollten wir nicht lieber vorher noch mal sagen: „Fly to Sicily! Fly a kite! Flysurf Sicily!“