Reich Gottes mitten unter euch!
„Als Jesus aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Lukas 17
Das Telefon hat geklingelt. Ohne, dass ich es erwartet habe.
Manchmal erwarte ich etwas. Manchmal sehne ich mich z.B. danach, etwas vom Reich Gottes zu erleben, zu erfahren, hautnah zu spüren. Ja, ich möchte manchmal so gerne sagen können: "Hier ist es!" oder "Da ist es!" Etwas sehen vom „Shalom“, vom umfassenden Besser-Leben, von dem die Bibel spricht. Vom Leben, bei dem das Leben klappt, gelingt, zurecht kommt. Ich predige so oft vom Reich Gottes. Und manches Mal predige ich mir selbst. „Es wird schon noch, es kommt, es wird sich durchsetzen.“ Die Realitäten des eigenen Lebens, der Leben, welche ich bei anderen Leuten mitbekomme und der Gesamtzustand dieser Welt mit ihren Kriegen, Hungersnöten und Ungerechtigkeiten lässt mir manchmal das Wort, die Predigt vom Reich Gottes im Halse stecken.
Am Sonntagabend hat das Telefon geklingelt.
Ohne, dass ich es erwartet oder ersehnt habe, hat sich für mich etwas ergeben, was ich aus meiner Sicht dem Reich Gottes zuordne. Andere mögen das anders sehen. Als ich aber nach dem Klingeln und nach dem Gespräch aufgelegt habe, war es mir, als ob ein kleiner Sonnenstrahl aus dem Reich Gottes ein paar dunkle Gedanken weggeleuchtet hätte.
„Spreche ich mit Carsten Hokema?“ Ja, beantwortete ich die Frage. Der Name und die Stimme des Mannes kamen mir nicht bekannt vor. Ob ich mich daran erinnern würde, dass ich ihn vor gut 5 Jahren an einem Sonntagmorgen vom Radweg aufgehoben habe. Die Erinnerung wurde wach: Meine Frau und ich waren zu Fuß auf dem Rückweg von der Kirche und wurden von einem stark alkoholisierten Radfahrer überholt, der dann kurz vor uns umkippte und am Boden liegen blieb. Ich lief zu ihm hin, redete ein wenig auf ihn ein, versuchte rauszukriegen, wo er herkam, bestellte per Handy ein Taxi und gab dem Taxifahrer 10 € für die Fahrt. Als wir den Mann ins Auto bugsiert hatten, sprach ich noch ein wenig mit ihm. So a la „Sie sollten Sonntag morgens etwas anderes machen, als auf Radwegen rumliegen, alles Gute, ich hoffe Sie kriegen ihr Leben wieder in den Griff, ändern Sie etwas an ihrem Leben .... und hier ist meine Visitenkarte, falls Sie mir die 10 € mal zurückgeben wollen.“
Mehr als 5 Jahre später rief mich der Mann am vergangenen Sonntag Abend an.
Meine Visitenkarte hatte er 5 Jahre lang bei sich. „Sie haben mein Leben verändert, auch wenn ich noch knapp zwei Jahre gesoffen habe. Ich habe immer wieder an ihre Worte gedacht.“ Der Mann berichtete mir, dass er inzwischen nach einem furchtbaren sozialen Abstieg wieder trocken ist, neu verheiratet ist und einen neuen Beruf erlernt hat.
Tränen füllten meine Augen. „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“
Es ist schon da. Das zukünftige, für mich und alle anderen Menschen sichtbare Reich Gottes erwarte ich noch. Bis dahin will ich daran festhalten, dass das „Reich Gottes schon mitten unter uns ist“.
Auch wenn der Mann demnächst wegzieht, ich werde ihm eine Gemeinde an seinem neuen Wohnort empfehlen.
Hoffentlich wird dort vom Reich Gottes gepredigt.
Ich habe seine Handynummer gespeichert.
Wir bleiben in Kontakt.