Jenseits von Eden sind wir verantwortlich für unser Tun!
Mensch, wo bist du?“
Notizen zum Vortrag von Prof.Dr.Kim Strübind zur Losung des 32.Deutschen evangelischen Kirchentages bei einer Veranstaltung der Akademie der Evangelisch Lutherischen Kirche in der Lamberti-Kirche in Oldenburgi.O. am 27.November 2008.
"Jenseits von Eden sind wir verantwortlich für unser Tun!"
Zu lesen ist 1.Mose 3.
Zur Eigendynamik von Losungen:
Wie alle Losungen, so haben auch die Losungen der Kirchentage nicht selten eine Eigendynamik, wenn das Zitat aus seinem ursprünglichen Kontext enthoben wird. Die Frage „Mensch, wo bist du?“ könnte z.B. anregen, über das Menschsein an sich nachzudenken oder Fragen wie „Mensch, was ist aus dir geworden?“ oder „Mensch, wo bist du geblieben?“ zu diskutieren. Die Versuchung – auch bei der Losung des 32.DEK – liegt nahe, über das „Menschsein“ zu plaudern.In der Geschichte in 1.Mose 3, die fälschlicherweise als die Geschichte vom Sündenfall bezeichnet wird, sucht Gott den Menschen, so wie ein Mensch Dinge sucht. Seine Brille z.B..Gott sucht den Menschen, weil der Mensch Gott aus dem Blick verloren hat.
Wer fragt hier eigentlich?
Der Fragesteller ist ein Prominenter. Gott fragt den, der sich versteckt. Die Frage stellt aber auch gleich eine Rückfrage oder lässt zumindest eine neue Frage aufkommen: Warum weiß Gott denn nicht, wo der Mensch ist? Wenn Gott Gott ist, dann müsste er doch wohl den Menschen im überschaubaren Garten sehen.Gott versteht den Menschen nicht. Im Bild gesprochen: Er kann ihn zunächst nicht finden.Die Frage nach dem Menschsein wurde zur Zeit der Verfassung des Textes im Alten Orient ganz anders gesehen als heutzutage. Überhaupt nicht individualistisch. Überhaupt nicht auf den Menschen an sich begrenzt. Zum Menschsein des Menschen gehörte ganz selbstverständlich das Gottsein Gottes. Gott und Mensch, Mensch und Gott konnten und wurden gar nicht auseinander gedacht.
Text und Umfeld von 1.Mose3
Erst in späterer Zeit wurden die unterschiedlichen Berichte, wie sie heute in den ersten Kapiteln der Bibel vorliegen, zusammen gestellt. 1.Mose 1 und 1.Mose 2 sind grundverschieden. 1.Mose 1 gehört zur Gattung der Kosmogonien (Welterklärungserzählungen). 1.Mose 1 ist in Priesterkreisen entstanden. Von Anfang an ist der Mensch als Doppelwesen (Mann und Frau) geschaffen. In 1.Mose 2 sieht das ganz anders aus: Lebendig, anschaulich, ja handwerklich wird da von der Schöpfung berichtet. Der Hintergrund ist nicht wie in 1.Mose 1 das Wasserchaos, sondern Wüstenlandschaft. Die „handwerkliche“ Seite Gottes wird betont: Er „töpfert“ den Menschen aus dem Wüstenland/ rötlicher Wüstenlehm. Adam kann man auch mit Erdling oder Rötling übersetzen.Anm. zu 1.Mose 2,24: Darum wir ein Mann Vater und Mutter verlassen. Eigentlich war es doch so, dass die Frau die Eltern verließ. War auch so. „verlassen“ kann man auch mit „vernachlässigen“ übertragen. Der Mann bildet eine neue „Kernfamilie“ und vernachlässigt daher seine Stammfamilie.
Kapitel 3
Vier Akteure sind auf der Bühne. Gott, Adam, Eva und die Schlange. Besser: „Schlangerich“, da im hebräischen Schlange männlich ist. Das Verbot, nicht von der Frucht zu essen macht eigentlich keinen Sinn, wenn man 1.Mose 1 mitgelesen hat, wenn doch der Mensch „Statue“, „Abbild“, „Verwalter“, Gottes Ebenbild ist, der herrschen, bebauen und bewahren soll. Dafür braucht der Mensch doch Erkenntnis von Gut und Böse, Sinn und Verstand.Eva reicht Adam die Frucht. „Das ist bis heute so: Der Mann isst, was ihm vorgesetzt wird.“In der Verhörszene fällt auf, dass „der“ Schlange nicht befragt wird. Adam, Eva und „der“ Schlange werden aus dem Paradies vertrieben.Die patriarchale Ordnung gehört nicht zur Schöpfungsordnung. Sie ist Ergebnis der Vertreibung.
Weitere Anmerkungen:
1.Mose 2 und 1.Mose 3 haben einen inneren Zusammenhang und gehören zusammen (nicht so 1.Mose 1). Das Motiv der Bäume macht das u.a. deutlich. Dennoch sind Spannungen zwischen den beiden Kapitel zu entdecken. Irgend etwas stimmt mit der Baumbepflanzung des Gartens nicht. Welche und wie viele Bäume oder welcher Baum ist es nun, der wo steht?Auf die Frage, woher die Schlange kommt gibt es keine Antwort. Und der Text will darauf auch keine Antwort geben. Besser wäre es, wenn man 1.Mose 3 statt mit „Sündenfall“ überschreiben würde mit „Vom Verlust und Gewinn der Menschenwürde“.
Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen: Gut und Böse markiert das umfassende Wissen (Gegensatzpaar als Ausdruck des Ganzen). Wenn Wissen zweckdienlich eingesetzt wird und zum Leben hilft, dann nennt man das Weisheit. Die Schlange ist klug (sie sagt im ganzen Kapitel nichts Falsches, die „Wahrheit“, die lügt nicht), aber nicht weise. Die Schlange weiß z.B. dass die Todesdrohung nicht ausgeführt werden wird.Das Problem ist eben der Umgang mit dem Wissen: Menschen können Nobelpreisträger oder Mörder/ Zerstörer sein. Wissen schützt nicht vor falschen Taten. Ist kein Garant für gute Taten.
Wo liegt der Sinn der Erzählung?
1.Mose 3 setzt mit seiner Kritik an 1.Mose 1, zu dem die Gottesebenbildlichkeit gehört, fundamental an. Die Lehre von der Gottesebenbildlichkeit kann nach hinten los gehen, kann gefährlich sein. 1.Mose 3 ist sozusagen ein „Gegenentwurf“.Alle sind in 1.Mose 3 Verlierer: Mensch, Tier und Gott.
Zu 1.Mose 3,5: „Ihr werdet sein wie Gott“ ist zu übertragen mit „Ihr werdet wie Gott um Gutes und Böses wissen“. Folglich will der Mensch Erkenntnis und nicht Göttlichkeit.Gott hilft dem Menschen bei der Bewältigung von Schamgefühlen (macht ihm Fellkleidung), der Mensch wird befähigt, sein Leben jenseits von Eden zu gestalten/ leben.
Nicht Wissen oder Weisheit ist böse oder schädlich. Der Umgang damit macht den Unterschied.1.Mose 4 (Kain und Abel) macht das ja auf tragische Weise deutlich.
„Jeseits von Eden sind wir verantwortlich für unser Tun. Daran wird auch der nächste Kirchentag erinnern.“
Die hier veröffentlichten Notizen geben nicht den ganzen Inhalt des Vortrags wieder, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind durch die Wahrnehmung des Hörers "gefärbt". Weitere Infos zum Kirchentag unter www.kirchentag.de. Mehr zu K.Strübind unter www.struebind.deMehr zur Kirchentagslosung http://www.kirchentag.de/programm/ueberblick/losung.html