Neuanfang trotz Ungewissheit
Apostelgeschichte 1, 6-8 Neuanfang mit Ungewissheit
Liebe Gemeinde!
1.
Die Geschichte einer Hand voll Schüler, die vor einem Neuanfang stehen. Nein, keine Erstklässler. Sie haben keine weichen Kniee, weil alles ganz neu, spannend und aufregend ist. Sie würden jetzt ins vierte Jahr kommen. Ein anderer Neuanfang liegt vor ihnen.
Was jetzt kommt, das ist wirklich ganz anders als das, was sie in den ersten drei Jahren gelernt haben.
Ein knappes Dutzend Schüler, die gut gelernt haben. Nicht für die Schule oder für den Lehrer. Sie haben wirklich fürs Leben gelernt.
Die Noten, die sie noch vor kurzem von ihrem Lehrer erhalten hatten, waren ganz okay. Durchmischt eben. Wie das bei Jungs so sein kann. Auch bei Mädchen. Aber es war eine reine Jungenklasse. Es nahmen auch Mädchen am Unterricht teil. Die wurden allerdings nicht im Klassenbuch geführt.
Die Noten je nach Herkunft, Charakter, sozialem Umfeld, eigenen „Leistungen“ (wobei der Lehrer dieses Wort nicht all zu sehr mochte), die schwankten bei jedem einzelnen tatsächlich zwischen „sehr gut“ und „ungenügend“.
Der Lehrer hatte ihnen immer gesagt, dass eine 6 oder auch eine 5 kein Grund zum Verzweifeln sei: „Da lässt sich was machen. Hab‘ keine Angst. In meinen Augen bist du ein Einserkandidat!“
Das konnten sie manchmal gar nicht so recht glauben, dass auch die paddeligsten und begriffstutzigsten Schüler bei ihrem Lehrer nicht abgeschrieben wurden.
Irgendwie hatte er es geschafft, ihnen immer wieder Mut zu machen. Weiter zu machen. Die Schule, das Leben, die Lebensschule nicht hinzuschmeißen.
Und jetzt standen sie vor einem neuen Lebensabschnitt, der ihnen nicht nur Unbehagen verschaffte, sondern der sie beim Blick in die Zukunft fast nur eine Farbe sehen ließ: Schwarz. Oder zumindest dunkelgrau mit schwarzen Sprenkeln.
Der Lehrer war weg. Tragische Umstände. Man hatte ihn komplett missverstanden, diskreditiert, gemobbt, fertig gemacht.
Die letzten Wochen waren alles andere als einfach gewesen.
Und dann kam er dramatischerweise auch noch ums Leben.
Trauer in den Seelen der Schüler. Vierte Klasse ohne ihn.
Das geht nicht. Sie hingen viel zu sehr an ihm.
2.
Sie waren keine Kinder mehr, diese Schüler. Erwachsene, gestandene Männer und Frauen, die einen Neuanfang vor sich hatten. Es würde anders weiter gehen müssen als bisher.
Liebe Gemeinde, die Jünger Jesu waren drei Jahre lang mit ihrem Lehrer unterwegs gewesen. „Lebensschule“. Jetzt war er gestorben. Weg.
Jetzt war Schluss. Jetzt hieß es wieder: Zurück in den selben alten mehr oder weniger langweiligen Beruf. Zurück in die selbe alte Lebenssituation, die sie vor ein paar Jahren hinter sich gelassen hatten: Maloche, Leben, Familie, Stress oder Langeweile – auf jeden Fall würde jetzt wieder alles wie früher sein. Alle Tage Alltag. Wieder Alltag. Ohne Jesus. Würden sie das schaffen?
Als er noch lebte, hatte er immer gesagt, wo es langgeht. Vielmehr: Er ist einfach gegangen. Und sie sind mitgegangen.
Ihm gefolgt. Nach … gefolgt.
Wo sie ihm nachgefolgt hinkamen, da war was los.
Da waren noch Zeiten. Und Zeichen.
Blinde wurden sehend. Jetzt sahen alle schwarz. Oder dunkelgrau.
Lahme konnte gehen. Jetzt waren alle wie gelähmt.
Tote wurden aufgeweckt.
Jetzt waren selbst die Aufgewecktesten wie tot.
Sie alle hatten den Eindruck gehabt:
„Ja, mit ihm werfen wir einen Blick in das Reich Gottes.
Wenn er bei uns ist, wenn er uns leitet und lehrt, dann geht was!“
Sie hatten helle Farben für die Zukunft gesehen. Osterlicht. Auferstehungshoffnung.
Sie waren dem Auferstandenen begegnet.
Der Evangelist Lukas darüber schreibt in seiner Apostelgeschichte:
„Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen 40 Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes.“
Verständlich, dass sie ihn da fragten, ich lese Apostelgeschichte 1, 6-8: „Herr, wirst Du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? Er sprach zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird und ihr werdet meine Zeugen sein in Jersualem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“
3.
Das kenne ich. Da habe ich so viel von Jesus gelernt, so viel von ihm gehört und meinetwegen auch so viele geistliche Erlebnisse gehabt. Nicht nur drei Jahre, sondern 10,20 oder sogar 30, 40 Jahre lang. Dann eine neue, veränderte Situation. Eine neue Herausforderung. Ein neuer Lebensabschnitt. Oder ein Querschlag, der mich aus der innerlichen oder äußerlichen Bahn wirft. Dunkle Gedanken. Trauer. Angst vor dem, was kommen wird. Die dunklen Sprenkel legen sich auf meine innerliche Netzhaut.
Und dann das Gebet, die Frage: „Herr, wirst du in dieser Zeit aufrichten das Reich?“ Nicht so umfassend. Nicht für Israel, aber für mich. Werde ich das jetzt, in dieser Zeit, die vor mir liegt, erleben, dass das mit deinem Reich stimmt? Wirst Du dein Reich wenigstens in meinem kleinen Reich aufrichten? In meinem Leben? In meinen Herausforderungen? Gott, wirst du die Unklarheiten beseitigen?
Ich sehne mich danach, dass es bei mir rund läuft. Dass ich, jetzt wo mein Alltag z.B. nach den Sommerwochen wieder neu anfängt, mit den Herausforderungen meines Lebens gut klar komme.
So ein bisschen Urlaub, Sonne, Reich Gottes mitten im Alltag.
„Und er ließ sich sehen unter ihnen 40 Tage lang…“
Jesus, es müssen ja gar nicht 40 Tage sein, aber lass‘ dich bitte sehen in dieser oder jenen Situation. In dieser oder jener Herausforderung. Lass‘ mich dein Reich erleben. In dieser, in meiner Zeit!“
Liebe Gemeinde! Die Antwort, die Jesus damals seinen Jüngern gegeben hat, die klingt auch heute noch in unseren Ohren, wenn wir in unserem Leben konkrete Zeichen des Reiches Gottes erleben möchten: „Es steht euch nicht zu, Zeit und Stunde, zu wissen.
Aber ….aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird und ihr werdet meine Zeugen sein in Jersualem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“
Das hatte er ihnen schon gleich nach der Auferstehung gesagt, bevor er sich noch einmal 40 Tage lang hat sehen lassen: „Mensch, geht hin in diese Welt, macht zu Jüngern alle Völker. Ich bin bei euch.“
Das Besondere an dem Auferstandenen ist, dass er auch seine Leute auferstehen lässt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er fordert sie auf, aufzustehen!
Geht hin! Seht nicht länger aufs Schwarze. Ich bin doch bei euch!
Kommt, bewegt euch, lasst euch weder in euren geistlichen noch in euren charakterlichen Hängematten hängen. Es ist nicht vorbei. Nur: es läuft jetzt anders an als in Klasse 1 bis 3. Ihr seid jetzt größer, selbständiger geworden. Ihr wisst schon, wie es geht.
Es läuft nur, wenn ihr lauft. Wenn ihr euch bewegt. Ihr seid dabei doch nicht alleine: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen!“
Ich bin euch drei Jahre lang vorausgegangen. Ich habe euch gezeigt, wie es geht. Der Heilige Geist wird euch daran erinnern.
Dazu ist er da. Und er wird euch trösten, wenn ihr nur schwarz seht oder empfindet. Dazu ist er da.
Aber der Heilige Geist, ich in euch, ich werde euch kein geistliches Wattekisschen nachtragen oder ein Wunder nach dem anderen für euch tun.
Das wäre nicht Reich Gottes.
Reich Gottes ist zunächst einmal dort, wo ihr als meine Leute hingeht. Wo ihr Schritte auf andere zugeht. Wo ihr euch bewegt und euch nicht lähmen lasst von den Aussichten.
Dort, wo ihr seid und wo ihr nach euren Möglichkeiten durch Wort und Tat für andere Menschen da seid.
Reich Gottes ist dort, wo ihr den Schalter umlegt und betet „Dein Reich komme, dein Wille geschehe.“ Reich Gottes ist dort, wo ihr willentlich den Schalter umlegt und sagt: Ich will mich weder von den grauen Farben noch von den schwarzen Sprenkeln bestimmen lassen – sondern von deiner schlicht klingenden Aussage: Ich bin bei euch!
Vielleicht sagt ihr: Ich kann das doch nicht. Ich weiß doch selber nicht, wie ich diese oder jene Situation anpacken soll. Auf meinem Lebens- oder Christenzeugnis stehen etliche Fünfen und Sechsen. Ganz zu schweigen vom Arbeits- oder Sozialverhalten. Ich kann es einfach nicht besser.
„Da lässt sich was machen. Hab‘ keine Angst. In meinen Augen bist du ein Einserkandidat!“
Liebe Gemeinde!
Die Lebens-Schule in der Nachfolge Jesu, die wird erst beendet sein, wenn das Reich Gottes für uns alle sichtbar und erlebbar ist, wie Johannes es beschreibt: „Gott wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott wird mit ihnen sein und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und es wird kein Tod, kein Leid, kein Schmerz mehr sein.“
Das wird am „Ende der Zeit“ sein. Wann, das wissen wir nicht. Aber wir haben da eine Zusage. Eine tröstliche, eine hilfreiche, eine, die mehr zusagt als alle anderen Worte es könnten:
„Ich bin bei euch, alle Tage, bis ans Ende der Zeit!“
Wenn wir jetzt wieder in unseren Alltag gehen, wenn vielleicht Ungewisses und Herausforderungen auf uns warten, dann lasst uns doch einmal – wenn wir das wollen und solange wir daran denken –
a)
jeden neuen Tag, vielleicht noch morgens im Bett, wenn der Wecker gerade genervt hat, mit einem kurzen Gebet beginnen:
„Danke, Gott, dass Du auch heute bei mir bist. Dein Reich komme, dein Wille geschehe.“
b)
Wo wir konkrete Hilfe für Situationen in unserem Leben brauchen, da lasst uns auf andere Menschen, auch auf Christen hier aus der Gemeinde, zugehen. „Kannst du mir Nachhilfe geben? Ich möchte von meiner 6 oder 5 runterkommen. Ich komme mit dieser oder jener Situation nicht klar.“
c)
Lasst uns auf-erstehen, hingehen zu anderen und uns selbst fragen:
„Wie kann ich in Wort und Tat für den anderen Zeichen des kommenden Reiches Gottes aufrichten?“
4. Zum Schluss:
Wir feiern heute Abendmahl. Das ist das Zeichen, das Jesus uns für unseren Alltag, für unser ganz normales Christenleben gegeben hat.
Wir erinnern uns an das, was Jesus getan hat – da werden die „Noten“ neu geschrieben, da wird alles vergeben und vergessen, was nicht dem Willen Gottes entspricht.
Brot und Wein sind die Zeichen, die Jesus uns sozusagen als Wegmarkierungen durch unser Leben gibt: Neuanfang ist möglich.
Da fängt Jesus mit uns neu an.
Damit auch wir selbst neu anfangen können.
Im 1.Korintherbrief ist zu lesen, dass das Abendmahl sozusagen eine „schmackhafte Botschaft“ ist: „Damit verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt!“
Er wird sichtbar wiederkommen.
Wann, das wissen wir nicht.
Wir sind auf dem Weg.
Das Gute dabei ist:
Wir brauchen dabei nicht grau oder noch dunkler zu sehen,
denn Jesus spricht:
„Ich bin doch schon bei euch.
Alle Tage.“
Amen