Mission heißt, zeigen, was man liebt

„Mission heißt, zeigen, was man liebt!“

Fulbert Steffensky  hat diesen  Satz gesagt oder geschrieben. Ein Satz, der etwas über den Inhalt aller Mission, ganz gleich in welchem Glaubens- oder Wertesystem sie stattfindet, und auch über die Art und Weise  von Mission aussagt.

Mission ist das lateinische Wort für Sendung.
Nicht nur Kirchen oder religiöse Gemeinschaften, Religionen und Weltanschauungen, auch Vereine, Staaten, Ideologien, Wirtschaftssysteme oder einzelne Menschen haben eine Mission, wenn sie das, wofür sie inhaltlich stehen, nach außen vertreten.

Nicht immer muss dazu der bewusste Versuch gehören, andere Menschen oder Systeme von den  Anliegen,  Inhalten und Perspektiven der eigenen Werte, Ansichten oder „Systems“  zu überzeugen.
Alleine dadurch, dass man ist wie  man ist, hat man schon eine Ausstrahlung,  die gewollt oder  ungewollt,  zu einer Sendung wird, wenn sie auf andere Seinsweisen stößt und somit dann bewusst oder unbewusst in den Vergleich tritt.

Menschen, Gruppen, Firmen, Vereine und Institutionen haben jedoch meistens eine bewusste Mission. Sie wollen als Einzelne oder als Gruppe andere Menschen oder Gruppen  die Vorteile ihrer Werte, Überzeugungen  oder Produkte verdeutlichen.  Manchmal tun sie das aus  eher niederen  Motiven der Gewinnakkumulation, manchmal aus ehrlicher und ehrbarer Überzeugung, dass ihre Überzeugung oder ihre  Werte so gut sind, dass andere Menschen oder ganze Gruppen davon profitieren würden.

Nichts beseelt  Menschen oder Gruppen mehr als der Gedanke, dass es dem einzelnen Menschen  oder sogar ganzen Gruppen und Ländern besser gehen würde, wenn sie  neue oder andere Werte und Überzeugungen  (Produkte) annehmen würden.

Es gibt ehrliche, aufrichtige und selbstlose Sendungen/ Missionen, die nicht durch die schwarzen Schafe in Misskredit gebracht werden dürfen. Würden Aufrichtige aufhören ihre Sendung zu leben, so sähe es an vielen Orten dieser Welt  tatsächlich schlechter aus, als es sowieso schon aussieht.
Sendung/ Mission ist von seinem Ursprung her eine Sache mit gutem Ziel.

Zu beklagen sind die vielen Missionierungsversuche von Gesellschaften, Firmen, Kirchen , Staaten oder einzelnen Menschen, die gegen den Willen der Adressaten vollzogen wurden. Die Form der Sendung passte und passt nicht zum Inhalt der Sendung, von dem die „Missionare“ so überzeugt sind.  Das gilt für wirtschaftliche, politische und religiöse Gedanken.

Auch die Mission der Kirchen hatte und hat ihr schwarzen Kapitel. Das darf aber kein Grund sein, die Mission ganz zu lassen.  Es sollte vielmehr motivieren anders, besser, liebevoller und menschenfreundlicher die Sendung Jesu in diese Welt fortzusetzen.

Mit der Sendung/ Mission Jesu in diese Welt hatte Gott – soweit das der Bibel zu entnehmen ist -  nicht einen schlechten, hinterhältigen oder egoistischen Gedanken.  Mit der Sendung Jesu hatte Gott nur den oder die Menschen im Blick. Er wollte nichts für sich selbst. Alles für den oder die  Menschen. Insofern ist die Sendung/ Mission Jesu in die Welt von aller anderen Mission unterschieden. Der Sendende hat nicht sich selbst, nicht sein Wohl, seine Ehre, seinen wirtschaftlichen oder religiösen Erfolg, sein Wohlergehen im Blick. Sondern das des Adressaten. 
Die Sendung/ Mission der Kirche kann die Sendung/ Mission Gottes in Jesus Christus weder ersetzen noch dieser Sendung irgend etwas hinzufügen. Alles, was getan und gesagt werden musste, ist in Jesus Christus getan und gesagt. Wenn Kirche missioniert, so erweitert sie also nicht das Herrschaftsgebiet Gottes. Sie richtet auch nicht das Reich Gottes auf.

Sie ist vielmehr nur Zeugin dessen, was längst schon göttliche Wirklichkeit ist: Gott will das Beste für alle Menschen. Gemeinschaft mit allen Menschen. Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der  Schöpfung.

Christliche Missionare im besten Sinn sind also diejenigen, die das Handeln Gottes bezeugen. Sie wollen, ja sie können gar nichts „erzeugen“. Wer die „Idee“ des Reiches Gottes kennt, wer glaubt, dass Gott es in Jesus Christus mit allen Menschen   gut meint, wer weiß, dass der in der Bibel bezeugte Gott ein Gott der Liebe ist – wobei die „dunklen“ Kapitel der Bibel manche Fragen über das Gottesbild aufwerfen und einen geradezu von den liebenden Armen Gottes fernhalten können - , der wird seine Art und Weise  der Mission dem Inhalt dieser Botschaft, Idee, dieses Glaubens selbstverständlich anpassen.

Mission heißt eben nicht nur zeigen, was man inhaltlich liebt.
Mission muss dem Inhalt formal entsprechen, sonst ist sie kontraproduktiv.
Auch daher hat alle christliche Mission an der Mission Jesu Maß zu nehmen. Die Mission Jesu war inhaltlich von Liebe erfüllt und wandte sich den Menschen in bedingungsloser Liebe zu.

Diejenigen, die in der Gesellschaft keine Chance hatte,  fanden durch die Zuwendung Jesu Liebe.
Diejenigen, die ausgestoßen oder gebrandmarkt waren, fanden in den Worten und Taten Jesu Liebe.
Diejenigen, die sich selbst und andere aufgegeben hatten, fanden im Handeln und Reden Jesu neue Liebe für sich selbst und andere.
Christliche Mission ist Sendung in eine Welt, die Liebe inhaltlich und äußerlich nötig hat. Damit das Leben besser gelingt. So, wie Gott sich Leben gedacht hat: In Liebe und Gemeinschaft.

Jesus: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“


(Carsten Hokema ist Referent im Dienstbereich Mission des BEFG )

 

 

Mein Lauf zwischen den Welten

Mein Lauf zwischen den Welten

Matthias (Matze) Dichristin nimmt den Leser mit hinein in die Erlebniswelt eines jungen Missionars, der mit Frau und Kind seit einem Jahr in Südafrika ist, um dort bei AIDS-Projekten Hilfe zu leisten.

Viel mehr noch: Matze Dichristin nimmt einen mit hinein in seine eigene Erlebnis- und Glaubenswelt, die immer wieder neu versucht mit Höhen und Tiefen des Lebens evangeliumsgemäß umzugehen.  Matze Dichristin macht es sich und seinen Lesern nicht leicht. Schnelle Antworten auf innerliche oder äußerliche Missstände wird man bei ihm nicht finden.

Oberflächlichkeit liegt ihm fern. Auch in seinem Glauben lebt er lieber mit einer weiteren offenen Frage als mit einer halbherzigen Antwort.
Wie finde ich einen verantwortbaren Lebensweg oder Lebensstil als Christ, der in einer westlich geprägten Wohlstandsgesellschaft und auch in einem von Erfolgen, Zahlen und Höhenflügen geformten Christentum groß geworden ist? Wer sich solchen Fragen stellen möchte, der ist gut beraten, zu dem gut 100 Seiten umfassenden Buch von Matze Dichristin zu greifen, welches er zunächst als Blog begonnen hat und dann in Buchform vorlegte. 

Formal lehnt er den Gang des Buches an einen Marathonlauf, den er selbst nach etlichen Vorbereitungen gelaufen ist, an. Wer jedoch ein heroisches „Ich habe es geschafft!“ erwartet, der liegt bei Matze Dichristin falsch: Weder beim Laufen noch  in sonst einer (geistlichen) Disziplin ist Hochmut oder eigenes Schulterklopfen zu spüren.  Der selbstbewusste Leser hat hier zwei Möglichkeiten: Entweder er kommt über sich selbst ins Nachdenken und wird  auch  demütiger oder er wünscht dem Verfasser etwas mehr  Selbstbewusstsein und standing. Denn dass er etwas zu sagen hat, das macht er an Stellen in seinem Buch deutlich, in denen er die gegenwärtige christliche Prägung von Gemeinden und das Erfolgschristentum treffend und mit klaren deutlichen Worten anprangert.

Entweder man legt das Buch weg,  wenn man auf die erste dieser Stellen stößt oder man lässt sich ein auf einen kreuzestheologisch  begründeten Argumentations- und Erlebniserzählgang, der einen in jedem Kapitel des Buches begegnet.

Wenn der Verfasser  auf Jesus zu sprechen kommt, spürt man förmlich seine Begeisterung und sein inneres Brennen. Vielleicht sollte Matze Dichristin ein persönliches Jesus-Buch oder wenigstens ein Blog schreiben? Das wäre sicher ebenso lesenswert wie das Lebenslaufbuch.

Die „Impulse“ von Tobias Faix, die jedem Kapitel angefügt sind, hätte man dem Buch ersparen können. Sie lassen das Buch an manchen Stellen leider  (wieder) in eine christliche Szene abrutschen, die auf manchen Seiten des Buches hinterfragt  wird.  Vielleicht tut ein „In-Autor“ aber auch der Auflage des Buches gut?  Dass ein Ko-Impulse-Autor nicht nötig gewesen wäre macht Matze Dichristin im Anhang seines Buches übrigens selber deutlich. „Statt eines Nachworts“ schreibt er noch einmal einen knackigen Überblick, der eigentlich alles sagt – und fragt.

„Ich habe fertig!“ wird man von Matze Dichristin nie lesen. Und das ist auch gut so. Wer auf seinem eigenen Lebensweg Anregungen zu Weiterkommen bekommen möchte, der liest bei Matze richtig.

Mögen diese Zeilen der Auflage gut tun. Damit noch mehr Leute ins Nachdenken kommen über ihren „Lauf zwischen den Welten“.

Matthias Dichristin, Mein Lauf zwischen den Welten, SCM –Verlag,  71088 Holzgerlingen, 2008, 112 Seiten, ISBN 978-3-7751-4914-3, Paperback
Online zu beziehen über www.oncken.de

 

Jahreslosung

„Jesus spricht: 
Was bei den Menschen unmöglich ist, 
das ist bei Gott möglich.“


Einleitung: Jahreslosung

Zu Beginn jeden Jahres werden unzählige Predigten, Andachten und sonstige Vorträge zur sog. Jahreslosung gehalten. Jahreslosungen gibt es in unterschiedlichen christlichen Kirchen seit 1934 (mehr Infos dazu unter http://www.jahreslosung.net/
geschichtliches.htm). 

Sie sollen als Motto, als Leitwort, als „Losung“ für das ganze Jahr gelten. Bibelworte aus dem sog. Alten Testament oder aus dem Neuen Testament werden ausgewählt, um den ChristInnen Orientierung, Ermutigung oder Trost zu geben.

 


Erstaunlich bei der Verwendung der Losungen ist tatsächlich, dass sie ChristInnen unterschiedlicher Konfessioneneinen. In Kirchen und Gemeindesälen, in Pfarrbüros und in Privathäusern, auf Kirchentagen und bei regionalen oder überregionalen Treffen wird die Jahreslosung im Laufe des betreffenden Jahres immer wieder zitiert, um an Wesentliches, um an einen gemeinsamen Grundgedanken zu erinnern. Ob Lutheraner, Freikirchlicher, Reformierte, Unierte, Katholiken oder irgendwelche freischwebende Gemeinden, die Jahreslosung haben sie vermutlich alle wenigstens einmal zu Beginn des Jahres gehört und sich Gedanken darüber gemacht.
Der kommerzialisierte Glaubenskitsch (Kalender, Poster, Kugelschreiber, etc.) oder auch stilvolle zu vermarktende Varianten der Jahreslosung sorgen dafür, dass die Jahreslosung den ChristInnen auf vielfältige Weise vor Augen ist.
Losungen haben etwas Gutes: Sie einen und weisen auf das Gemeinsame. Sie schaffen Identität und fördern das Miteinander. Wenn Losungen aber als „Lösungen“ verstanden werden, die gleich einem Instantkaffeepulver nur mit ein wenig heiß Wasser übergossen werden, um sofort und gleich den vollen Geschmack genießen zu können, so werden sie sträflich missbraucht. Gut tut man daran, die Losung nicht aus ihrem Zusammenhangzu reißen. Das Umfeld, das Grundanliegen des die Losung umgebenden Textes muss jeweils mit berücksichtigt werden, damit Losungen nicht als Lösungen missbraucht werden.


Jahreslosung 2009
„Jesus spricht: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“ (Lukas 18,27)

Abgrenzung gegen mögliche „Lösung“-Verständnisse

Die Jahreslosung 2009 muss davor geschützt werden, in allen möglichen kirchenpolitischen oder persönlich verengten Situationen als Allheilmittel zitiert zu werden.


Nach dem Motto: „Was Toyota kann („Nichts ist unmöglich“), das kann Gott schon lange!“ Gott darf von dieser Aussage Jesu her nicht grundsätzlich und für alle Anliegen als der Ermöglicher des Unmöglichen proklamiert oder gehalten werden. Sicher, dem Schöpfer dieser Welt ist grundsätzlich alles möglich. Aber ob er alles Unmögliche möglich machen will, das ist die Frage. Der, der aus dem Nichts Alles geschaffen hat, der hatte mit seiner Schöpfung ein Ziel vor Augen. Er wollte Gemeinschaft mit den Menschen. Ob Gott sich als der Ermöglicher vor kirchenpolitische oder auch persönliche Ziele spannen lässt, das ist mehr als fraglich. Immer wieder haben Kirchenmänner (insbesondere waren es tatsächlich Männer) oder auch gläubige Christen der Versuchung nicht wehren können, Gott für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren und seine Möglichkeiten für ihre eigenen Unmöglichkeiten einzusetzen. Nicht selten wurde Gott als der verstanden, der durch seine übernatürlichen Kräfte und seine Allmacht dafür sorgt, dass das persönliche Wohl oder das Wohl eines einzelnen Staates oder einer einzelnen Kirche vorangetrieben werden sollte.
Gegen einen derartigen Missbrauch Gottes wendet sich die Geschichte im Umfeldder Jahreslosung 2009.


Die Jahreslosung 2009 in ihrem Umfeld

Im Umfeld der Geschichte, aus der die Jahreslosung 2009 stammt, geht es immer wieder um das richtige Verständnis des jüdischen Gesetzes. Was hat ein frommer Mann (es waren damals tatsächlich fast ausschließlich die Männer, die von Interesse waren) zu tun oder zu lassen, um ein gottesfürchtiges Leben – ggf. mit Aussicht auf ewiges Weiterleben – zu erhalten? Die wirklich Gläubigen der damaligen Zeit, die, die mit Ernst und Verstand, mit Gefühl und aller ihrer Energie ganz aufrichtig danach fragten, was Gottes Wille ist und wie dieser gelebt werden kann, das waren die Pharisäer. Das Wort Pharisäer hat heute keinen guten Klang. Es wäre aber falsch, die Pharisäer als bloße Heuchler abzutun. Sie gaben sich wirklich und aufrichtig Mühe, Gottes Willen zu verstehen und zu tun.

 

Die Jahreslosung 2009 und ihre biblische Geschichte

Lukas 18, 18-27
Und es fragte ihn ein Oberer und sprach: Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!« Er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! Als er das aber hörte, wurde er traurig; denn er war sehr reich. Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme. Da sprachen, die das hörten: Wer kann dann selig werden? Er aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

 

Anmerkungen und Interpretationen zur Geschichte rund um die Jahreslosung 2009

Wer der „Obere“ war, der Jesus die Frage nach dem ewigen Leben stellte, wird nicht gesagt. Weder wird er mit Namen vorgestellt, noch ist klar, ob es sich um einen Synagogenvorsteher, einen Rabbi, einen führenden Pharisäer oder einen Angehörigen des Hohen Rates handelt. Vielleicht kommt es darauf auch gar nicht so sehr an. Allem Anschein soll nur gesagt werden, dass es sich um eine besondere, eine hervorstehende Person handelt. Interessanterweise erwähnt der Evangelist Lukas nicht, dass es sich um einen reichen Mann oder um einen reichen jungen Mann handelt. Bei den anderen Evangelisten wird der Fragende als „Reicher“ vorgestellt. Deswegen ist diese Geschichte auch als die Geschichte vom „Reichen Jüngling“ bekannt.
Das ist auch nicht verwunderlich, denn im Folgenden geht es dem „Oberen“ an den Geldbeutel.
Auffällig ist, dass Jesus die Anrede „guter Meister“ ablehnt. Mit dieser Anrede würde Jesus als einer bezeichnet werden, was Menschen, die für und durch Gesetzesrichtigkeiten leben, erreichen wollen (zumindest zur damaligen zeit): Sie wollen als gut dastehen, ein wenig oder auch sehr stark die eigene Ehre aufpolieren und womöglich einen guten Stand bei Gott haben.
Jesus weigert sich als einer angesprochen zu werden, der die menschlichen Ideale verwirklicht hat und womöglich deswegen bewundert wird.


„Niemand ist gut als Gott allein!“ Mit dieser Aussage distanziert sich Jesus nicht etwa von Gott. Das Leben und die Lehre Jesu sind der Vollzug dessen, dass niemand außer Gott wirklich gut ist. Was Jesu erreichen möchte ist, dass Gott allein als gut dasteht und nicht irgendwelche Menschen, Meister oder Möchtegernhelden die Ehre Gottes schmälern.


Bei allem was nun folgt ist klar, dass es um Gott allein gehen soll. Mit dieser harschen Aussage Jesu zu Beginn des Gesprächs ist eigentlich schon alles Wesentliche gesagt.
Es kommt nicht auf dich, auf deine Leistung und schon gar nicht auf deine Ehre an. Es geht nicht um dein sittliches Leben, um dein Einhalten der Gebote, um irgend etwas zu erreichen, es geht nicht um deine Ehre und dein Ziel, es geht um Gott. Weil für Jesus Gott im Mittelpunkt steht, weil auf ihn alle Aussagen und auch alles Geschehen zuläuft, ist es nur sinnig und dann auch wenig verwunderlich, dass die Geschichte in der steilen Aussage „das ist bei Gott möglich“ gipfelt.

„Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“
Eine für die damalige Zeit normale Frage. Hatte man sich für den Glauben, dass es ein Leben nach dem Tod gibt entschieden – was damals übrigens von etlichen Gläubigen und Atheisten ebenso bestritten wurde, wie heutzutage -, so war eigentlich „nur“ noch die Frage, wie man dieses Leben bekommen kann. Ursache und Wirkung: Was muss ich tun, damit dies oder jenes geschieht?Die Dynamik, die in der Frage liegt ist deutlich: Ich selbst tue etwas, setze mich ein, verwende Gedanken, Taten, Kräfte, Innerliches und Materielles, um etwas zu erreichen. „Um zu“ ist das grundlegende Gedankenkonstrukt aller mehr oder weniger egoistisch veranlagten Menschen. „Um zu“ macht deutlich, dass man etwas ganz bestimmt nicht zweckfrei macht. Man möchte mit seinem Handeln oder Denken etwas erreichen. Ein Gedanke, der in unserer heutigen Gesellschaft und auch wohl schon damals durchaus gängig und wohl anerkannt ist.
Dass die Frage an sich schon in sich selbst nicht schlüssig ist, das beanstandet Jesu erst gar nicht. Etwas tun, damit man etwas erbt, das geht schlichtweg einfach nicht. Entweder man ist erbe oder man ist nicht Erbe. Erbe wird man durch Geburt, Abstammung, Stammbaum. Der Fragende möchte sich allem Anschein nach gerne in die Erblinie einbringen. Wie er das wohl schaffen kann?
Die Frage nach dem ewigen Leben ist an vielen Stellen nicht mehr die Frage der heutigen Menschen. Wen interessiert schon das ewige Leben, wenn man mit dem Leben im hier und jetzt so seine Sorgen hat. Wen Interessiert schon das Transzendente, wenn das Augenscheinliche so viele Sorgen und Probleme macht. Mit Jenseitsvertröstung haben die meisten Menschen heutzutage abgeschlossen. Sie wollen vielleicht eher mit ihrem Leben hier und jetzt klar kommen. Die Frage des „Oberen“ würde heute vielleicht ganz anders an Jesus gestellt: „Was muss ich tun, um mit meinem Leben klar zu kommen?“ Oder: “Wie kriege ich Grund, Geborgenheit oder Sinn in mein Leben ?“ Ob die Antwort auf die damalige Frage auch auf die Fragen von heute passt, bleibt zu prüfen.

 


Auf die Frage nennt Jesus dem Fragenden die bekannten jüdischen Gebote und bekommt zur Antwort: „Das habe ich alles gehalten von Jugend auf.“ So erstaunlich, selbstbewusst und vielleicht auch ein wenig arrogant, wie das klingt, so normal ist diese Antwort doch. Es ist die Antwort eines religiösen Menschen. Eines bemühten Menschen. Eines Menschen, der mit allem Ernst Gottes Gebote kennen und halten will. Es ist die Antwort der Juden und Christen, die meinen auf dem richtigen Weg zu sein.

 

Es ist die Antwort derer, die sich nicht selten dadurch definieren, dass sie sich von anderen Menschen durch Worten und Taten abheben und damit meinen besser zu sein als diese. Sicher, an vielen Stellen ungewollt. Das ergibt sich einfach so. Wer rechtschaffen und fromm, gläubig und ernsthaft suchend ist, wer wirklich das Beste für das Reich Gottes will, der oder die merkt auch heute all zu selten, dass er oder sie eigentlich nur das Beste für sich selbst will.
In dieser Geschichte wird „die tiefe Heuchelei selbst der ernstesten menschlichen Frage enthüllt. Indem der Mensch vorgibt, dass es ihm um Gott gehe, geht es ihm doch ganz um sich selbst.“ (H.Gollwitzer)

Religion ganz gleich welcher Ausprägung verkommt nicht all zu selten zu Selbstbestätigung, zum Habenwollen, zur Anhäufung innerlicher religiöser Güter undzur Steigerung der eigenen Wohlbefindlichkeit.
Wenn der eigene Glaube nur dem „Endziel“ des ewigen Lebens dient, dann ist er missbrauchter bzw. instrumentalisierter Glaube. Wenn das Tun des Guten, das Befolgen der Gesetze Gottes nur dem Ziel dienen, sich in die Erbfolge einzuschleichen, um einmal das ewige Leben zu haben, dann ist das ganze Leben nach dem Gesetz des „um zu“ gestaltet und an seiner wirklichen Bedeutung vorbeigelebt. Dann ist man zwar fromm und rechtschaffen, dann ist man zwar religiös korrekt und vielleicht auch bei anderen religiös gestimmten Menschen anerkannt, dann hat man aber am Eigentlichen komplett vorbeigelebt.
Kein Wunder also, dass der „Obere“ gar nicht kapiert, was hier gerade passiert. Das wahre Befolgen der Gesetze und Gebote Gottes drückt sich gerade darin aus, dass alle Güte, alles Gute, alle Ehre, aller „Verdienst“ und auch aller Anspruch für das Getane an den geht, der allein „gut“ zu nennen ist. Wer Gesetze befolgt, um für sich selbst etwas Gutes dabei herauszuholen, der ist komplett falsch gewickelt. Beim Leben im Sinne Gottes geht es nicht um mich, nicht um meinen Gewinn, sondern um den, der der Grund allen Lebens und das Ziel allen Lebens ist: Gott.
Man braucht hier wohl nicht klarzustellen, dass es nicht um einen Verneinung des Menschseins, der eigenen Persönlichkeit oder auch der eigenen Wünsche geht. Gott hat den Menschen ja als Mensch geschaffen. Als einen, der Bedürfnisse, Wünsche, Ziele und auch Träume (vom ewigen Leben) hat.
Wenn der Mensch – auch der fromme Mensch -aber allein sich selbst im Blick hat, dann läuft etwas schief. Und daher:

 

„Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!“
Krasser geht es wohl nicht. Rein formal scheint diese Aufforderung nicht mehr zu sein als das Hinzufügen eines weiteren Gesetzes. „Na gut, wenn ich das auch noch mache, dann ist alles in trockenen Tüchern und dann werde ich es mir im ewigen Leben bequem einrichten können!“
Mit dem „eins fehlt noch“ wird dem Fragenden aber viel mehr deutlich gemacht: Es geht nicht um dich. Es geht nicht um die Anhäufung deines innerlichen oder äußerlichen Besitzes.


Die Antwort Jesu wendet den Blick weg vom eigenen Leben, hin zum Leben der anderen Menschen. Die Antwort Jesu lenkt den Blick weg von der eigenen Heilung, hin zur Heilung des anderen. Der Blick wird weggelenkt vom eigenen „Erbe“, hin zu dem, was die anderen Menschen bereits hier und jetzt erben können und sollen.
Dem „Oberen“ ging es darum, zu erwerben, zu haben. Gott – und somit Jesus – geht es immer darum, andere reich zu machen.
In diese Richtung möchten alle Gebote die Menschen lenken: In die Richtung des Gebens. Nicht in die Richtung des Habenwollens oder Anhäufens.
Und neue Denkrichtung, die neue Handlungsrichtung, die komplett neue Lebens-Ausrichtung, die geht natürlich nur, wenn man Jesus nachfolgt. Wenn man einen hat, der es einem vormacht. Wenn man einen vor, hinter, neben sich hat, der einen ermutigt, der vormacht, wie es geht, der sich hinabneigt zu den Armen, Schwachen und Kranken, zu denen die nichts oder wenig haben. In der Nachfolge Jesu wird eine neue Lebensausrichtung möglich. Ein Sein, ein Geben ohne Haben zu wollen.
Wenn der Obere Jesus nachfolgt – was in der Geschichte nicht ausgesagt wird, was man aber erhoffen darf -, dann wird er sicher erleben, dass mitten im jetzigen Leben und nicht erst im Jenseits ein „Erbe“ erlebbar wird, das man gut und gerne mit „ewigem Leben“ bezeichnen kann. Im Hier und Jetzt wird erfahrbar, was ewiges Leben bedeutet. Und sicher wird dabei auch der Glaube gestärkt, dass dieses Erleben zeitlich nicht begrenzt ist. Es geht dabei nämlich nicht mehr um mich selbst, um den Erhalt meines Lebens, sondern um Gott, der von Anfang an einer war, der gegeben hat, der ermöglicht hat, der Leben gefördert und die Schwachen gestärkt hat.

„Als der Obere das aber hörte, wurde er traurig; denn er war sehr reich. Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes!“

Jesus setzt nicht noch einen oben drauf, um alle Umstehendenund Hörer zu moralisieren. Er fasst eigentlich nur zusammen, was er bisher gesagt hat und was er gerade am „Oberen“,
am Fragesteller sieht. Der ist traurig geworden. Weil er sehr reich war. Nicht etwa traurig, dass er seinen ganzen Reichtum abgeben soll. Nein, „denn er war sehr reich“. Wenn einem gesagt wird, dass das ganze bisherige Leben einem falschen Sinn gedient hat, dann kann man schon traurig werden. Wenn man „sehr viel“ von diesem „Sinn“ angehäuft hat, dann wird man sehr traurig. Das ist ganz selbstverständlich.Wer bekommt denn schon gerne gesagt, dass das, was er getan hat, voll daneben war? Wer bekommt denn schon gerne gesagt, dass das, was er bisher erreicht, erarbeitet, inhaltlich vertreten hat, komplett nutzlos ist.
Das Anhäufen guter Taten, das Befolgenvieler Gesetzen, das Geben oder Nichtgeben von Geld, das religiöse oder banktechnische Konto hat nichts, aber auch gar nichts mit dem eigenen ewigen Leben zu tun. Da wird man schon mal traurig, vielleicht sogar sehr traurig, wenn man auf dem religiösen oder auf dem Eurokonto sehr viel liegen hat, von dem man meint, dass es echt was wert ist.

Oder man wird aggressiv, wütend, abweisend, wenn man so etwas hört. In der Lukasvariante bleibt das zukünftige Verhalten des Oberenglücklicherweise offen. Er wendet sich nicht – zumindest nicht innerhalb dieser erzählten Geschichte- von Jesus ab. Bei den anderen Evangelisten ist das (leider) anders.


„Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe,
als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme.“

Eine fast humorvolles Aussage, wenn man sich die Bilder in dieser Geschichte vorstellt. Ein Kamel ist eben so groß wie ein Kamel. Und wer schon einmal einen Faden eingefädelt hat, der weiß auch, dass es manchmal schon ganz schön schwer sein kann, den Faden durch diese Miniloch zu bekommen. Geschwiege denn ein Tau. Oder womöglich ein ganzes Kamel.
So platt wird das Bild Jesu aber wohl nicht gemeint sein, auch wenn es Leute gibt, die meinen, sie nähmen die Bibel wortwörtlich. Solche weisen dann ganz im Sinne des o.g. Missverständnisses dieses Verses darauf hin, dass Gott als der Ermöglicher des Unmöglichen auch ein Kamel durch ein Nadelöhr bekommen würde. Aber was würde das für einen Sinn machen?

Ein kameleinfädelnder Gott? Sicher kann man – wenn nur fein genug filetiert und seziert – ein ganzes Kamel durch ein Nadelöhr bekommen. Aber wer würde auf eine so blödsinnige Idee kommen. Gott ganz bestimmt nicht.
Vielleicht ist aber mit dem „Nadelöhr“ auch ein bestimmtes Stadttor in den Mauern von Jerusalem gemeint, welches insbesondere für Kamele sehr eng und schwer zu passieren ist.
Es war ziemlich mühsam mit einem Kamel durch dieses Stadttor-Nadelöhr zu kommen: Sämtliche
Last musste man abladen, das Kamel durchzwängen,- drücken, -drängeln, um dann hinter dem Nadelöhr das ganze Gepäck wieder aufzuladen. Es ist nämlich wirklich leichter ein Kamel durch dieses Nadelöhr zu bekommen als einen Elefanten.

Ganz gleich ob Nähnadel oder Stadttor. Es geht nicht um die Sachaussage. Das Bild zählt: Es ist ganz schön mühsam, wenn ein Reicher ins Reich Gottes kommen will.

 

Es ist vermutlich leichter einen Tieflader durchs Brandenburger Tor zu bekommen (man muss den Tieflader eben nur auseinander schrauben, durch das Symbol der deutschen Einheit tragen und auf der anderen Seite wieder zusammen schrauben) als einen Reichen über das Reich Gottes ins Nachdenken zu bringen. Und hineinzubringen.

Kein Wunder also, dass die Jünger am Ende der Geschichte „mit den Nerven fertig sind“. Wenn das die Denkrichtung Jesu ist, wenn es darum im Reich Gottes geht, wer kann denn dann ins Reich Gottes kommen? Wer kann selig werden?


Jesus aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

Menschlich gesehen geht das wirklich nicht. Das ist unmöglich, dass einer von selbst auf die Idee kommt, dass es nicht „um zu“ geht, dass es nicht um (noch) mehr haben, um die Anhäufung innerlicher oder äußerlicher Güter geht. Unmöglich von selbst auf die Idee zu kommen, dass „geben seliger als nehmen“, verteilen „seliger“ als anhäufen, nicht auf sich selbst bedacht sein „seliger“ als ewiges Leben für sich selbst wollen ist.

Bei Gott ist das möglich. Sein ganzes Sein ist Geben. Alles, was er ist und denkt ist auf sein Gegenüber hin gedacht und getan. Gott ist nicht für sich und will auch gar nicht für sich sein. Er möchte immer der „Gott mit uns“, der „Gott für uns“ sein. Das können Reiche ebenso schwer verstehen wie weniger Reiche. Verglichen mit der Weltbevölkerung sind ja alle Menschen, die in unseren Breitengraden leben, reich. Sehr reich. Dass einer, der alles hat und alles ist, für mich sein will. Dass er sich selbst dabei nichts, aber auch gar nichts selbst errechnet, dass er mir gegenüber einfach gut ist, ohne „um zu“, das ist unglaublich.


Und vermutlich glauben deswegen so wenige Reiche nicht. Bei Gott ist das aber möglich.
Weil er selbst so ist. Deswegen kann er auch Menschen dazu bewegen so zu sein und so zu denken.

Ist das der Fall, dann werden solche Menschen das Reich Gottes und die Güte Gottes für andere Menschen erlebbar machen. Und dabei nicht daran denken, was sie selbst davon haben.
Ewiges Leben hin oder her. Solche Christen braucht das Land. Nicht nur im Jahr 2009.

 

 


Bildnachweise:
Nadelbild: www.4yourwall.de; copyright Marc Willwacher
Brandenburger Tor: www.sxc.hu
Nichts ist unmöglich: ewigkite.de

 

 

Artikel

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Jenseits von Eden sind wir verantwortlich für unser Tun!
 Prof.Dr.Kim Strübind 


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Gedanken zum Advent von S.Faber


König ohne Krone (Weihnachten 2008)

Heute morgen im Radio - Gedanken zu einem schweren Thema. Von Julia.

Buchbesprechung Matthias Dichristin "Mein Lauf zwischen den Welten"


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Urchristliche Impulse für unsere Evangelisation heute von Prof.Dr.A.Heinze 


Die Mission Gottes - Evangelisation und Diakone
 


"Nicht ohne meine Geschwister"
 


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Da wird dein Herz sein (Prof.Kim Strübind) 5.Mose 30,6-20


Jahreslosung 2009 "Was bei Menschen ..."  als text     als .pdf


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Lukas 17 - Aufstehen. Hingehen. Der Glaube hilft.

Mohnfeldpredigt - Predigtpreis 2008

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